Emanzipiert auf’s Maul (Diskussion über Heldinnen im Film)

Seit der Fall des Produzenten Harvey Weinstein öffentlich wurde, ist sexualisierte Gewalt in Hollywood und andernorts wieder ein Thema. Oft wird dabei erwähnt, dass sich die kreative Gemeinschaft der Traumfabrik betont liberal gibt, was Frauenrechte betrifft aber noch in der Steinzeit lebe.

Aber sind die Filme und die darin verhandelten Geschlechterrollen progressiver als die Besetzungscouch? Film- und Medienwissenschaftlerin Véronique Sina von der Universität Tübingen und Alexander Nolte vom Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI) diskutieren im Filmstudio Glückauf diese Frage. Unter dem Titel „Weibliche Helden“, ein Teil der CineScience-Reihe „Helden im Film“, die das KWI in Zusammenarbeit mit dem Filmstudio veranstaltet, nehmen sie vier Szenen aus Kultfilmen von 1979 bis 2010 genauer unter die Lupe.

Warum 2017 noch über Feminismus im Film geredet werden muss, zeigt beispielsweise der Bechdel-Test. Mit ihm lässt sich oberflächlich aber simpel testen, inwieweit Frauen in Filmen stereotyp dargestellt werden. Drei Fragen werden an den Film gestellt: Gibt es mindestens zwei Frauenrollen? Sprechen diese Frauen miteinander und ist der Gegenstand dieses Gesprächs etwas anderes als ein Mann? Wer damit die alte „Star Wars“-Trilogie oder die „Harry Potter“-Reihe konfrontiert, gelangt zu dem Ergebnis: durchgefallen. Dabei liegt die Latte nicht eben hoch. Denn würden die Frauen wenigstens über Schminke, Diäten oder Kinder reden, wäre der Test schon bestanden.

Sina und Nolte haben für den Abend erfolgreiche, bekannte Filme mit einer starken Protagonistin ausgewählt. Zum Auftakt präsentieren sie zwei Filmausschnitte aus den ersten beiden Teilen der „Alien“-Saga, Ridley Scotts „Alien“ von 1979 und „Aliens“ von James Cameron (1986). Sigourney Weaver überlebt in beiden als unkaputtbare Ellen Ripley nicht nur alle männlichen Crewmitglieder, sondern rettet am Ende auch noch ein Kätzchen bzw. ein Kind….

Der Text ist Online als Beitrag der Reihe „Foyer“ im trailer-Magazin auf www.trailer-ruhr.de erschienen.  Hier geht’s zur Online-Fassung.

Interview mit Claudia Janssen zu feministischer Bibelforschung & Queer-Theologie

engels: Frau Janssen, Sie gelten als eine der führenden, feministischen Theologinnen. Bezeichnen Sie sich selbst als Feministin?
Claudia Janssen: Ja, das tue ich. In den letzten Jahren mit noch mehr Überzeugung. Für mich hat Feminismus einen politischen Charakter, es geht um Gerechtigkeit in einem ganz umfassenden, politischen Sinn mit dem Ziel einer Veränderung der Gesellschaft. Geschlechtergerechtigkeit ist dabei für mich ein zentrales Motiv.

Seit wann gibt es diese feministischen Strömungen schon in der evangelischen Kirche?
Feministische Strömungen haben innerhalb der Kirche eine lange Tradition, was viele Menschen erst einmal erstaunt. Sie kommen meistens aus der Bibel. In ihr sind viele progressive Aussagen enthalten, die auch für unsere heutige Gesellschaft von Bedeutung sind. Kämpfe um Gleichberechtigung gibt es da bereits, eine frühchristliche Frauenbewegung ist schon erkennbar.

Gibt es eine prägnante Bibelstelle, die die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Bibel illustriert?
Im Brief an die Gemeinde in Galatien (Gal. 3,28) geht es Paulus um das Selbstverständnis der Gemeinde und er greift deren Slogan auf. Es heißt dort „Da ist nicht jüdisch noch griechisch, da ist nicht versklavt noch frei, da ist nicht männlich noch weiblich: denn alle seid ihr einzig-einig im Messias Jesus“. Im Römischen Reich hat geherrscht, wer Mann, Römer und frei war, diese Kategorien haben die Gesellschaft strukturiert und hierarchisch geordnet. Der zitierte Slogan sagt aber, dass weder die ethnische Herkunft, noch der soziale Status oder das Geschlecht eine Rolle spielen.

Die Bibel an sich war also nicht frauenfeindlich?
Der Prozess, in dem die Bibel zusammengetragen wurde, umfasst fast tausend Jahre. Die Bibel ist so vielfältig wie die damalige Gesellschaft, mit ihr kann alles begründet werden. Das Neue Testament zeigt eine Widerstandsbewegung im Römischen Reich und hat viele alttestamentliche Traditionen genutzt, darunter auch die der starken Frauenfiguren, der Prophetinnen und Erzmütter. Im frühen Christentum haben Frauen eine wichtige Rolle gespielt. Vieles davon ist aber durch Übersetzungen verloren gegangen….

Das Interview ist in Print im engels-Magazin 11/17 als Teil des Monatsthemas FRAU LUTHER erschienen. Die ganze Online-Fassung lest ihr hier.

Leitartikel zum Thema KINDERSEELEN (trailer 10/17)

Kleine Tyrannen mit großen Gefühlen

Anfang 2008 entfachte der Bestseller „Warum unsere Kinder zu Tyrannen werden“ eine heftige Debatte. Der Autor Michael Winterhoff, ein Bonner Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, stellte ausgehend von seiner Praxiserfahrung folgende These auf: Die gegenwärtige Erziehung macht Kinder erst zu Partnern auf Augenhöhe, die notwendige, pädagogische Distanz geht verloren. Dadurch geraten die Kinder in ein symbiotisches Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Eltern und werden zu respektlosen, unselbstständigen und gesellschaftsuntauglichen Jugendlichen und Erwachsenen.

Anfang 2016 veröffentlichte die Wiener Psychologin Martina Leibovici-Mühlenbach mit „Wenn Tyrannen-Kinder erwachsen werden“ die inoffizielle Fortsetzung von Winterhoffs Buch. Die Huffington Post titelte Mitte 2016 salopper „7 Erziehungsfehler, die zu Arschlochkindern und Tyrannen führen“. Laufen wir wirklich Gefahr, dass künftige Generationen respekt- und vor allem empathielos wie kleine Hannibal Lecters durch die Pekip-Gruppen der Republik krabbeln?

Empathie ist eine Fähigkeit, die wie das Konzept der Theory of Mind angeboren ist. Während Theory of Mind oder auch „Alltagspsychologie“ dafür verantwortlich ist, dass Menschen kognitive Prozesse anderer Menschen nachvollziehen können, meint Empathie, sich einfühlen zu können in die Emotionen anderer. Beide Konzepte sind im biologischen Grundbauplan des Menschen angelegt ….

Der Artikel ist erschienen im trailer-Magazin 10/17 und auf www.trailer-ruhr.de.
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Interview mit Lamya Kaddor zum Thema „Muslim*innen, Demokratie & Zivilgesellschaft“

Würden Sie sich eher als religiöse oder politische Aktivistin bezeichnen?
Lamya Kaddor: Als religionspolitische Aktivistin wenn überhaupt. Mir geht es aber gar nicht um Religion, sondern um zivilgesellschaftliches Engagement. So ist auch der Liberal Islamische Bund (LIB) entstanden. Die ursprüngliche Idee war, eine Alternative zu den bereits existierenden, eher konservativen Dachverbänden zu gründen. Meinen Mitstreitern und mir war es wichtig, auch dem liberalen Islam eine Stimme zu geben. Und das geht in Deutschland eben am besten, indem man einen Verein gründet.

Welche Ziele verfolgt der LIB?
Es geht weniger um Ziele als um die Vermittlung bestimmter Prinzipien, die unserer Meinung nach den liberalen Islam ausmachen. Das betrifft zum Beispiel die Rolle der Frau, die noch viel gleichberechtigter sein müsste. Wir haben eine Imamin, die ein geschlechtergemischtes Gebet leitet, wir trauen interreligiöse Ehen, konzipieren und führen Präventionsprojekte durch, aktuell gegen Antisemitismus unter Jugendlichen. Wir wollen nicht in einem Elfenbeinturm sitzen, einen zeitgemäßen Islam postulieren und dessen theologische Ableitung erklären. Erst dadurch, dass wir das in die Praxis umsetzen, wird es authentisch.

Warum finden liberal-muslimische Positionen so wenig Gehör?
Das ist doch gar nicht so. Es wurde selten so viel berichtet wie vor dem Friedensmarsch im Juni. Der war übrigens nicht vom LIB organisiert, sondern von Friedensaktivist Tarek Mohamad und mir als Privatperson. Ich habe auch einige konservative Islamverbände mit ins Boot geholt. Die Demo war von Muslimen initiiert, das ist mir wichtig, aber sie war auch für alle Menschen offen. Der Terror bedroht uns alle, deswegen richtete sich der Demoaufruf auch an Muslime und Freunde. Ich mache das als überzeugte Deutsche, die den Rechtsstaat achtet und sich bewusst ein rechtsstaatliches Mittel gesucht hat, um einen Prozess ans Laufen zu bringen. Das ist für mich ein Beispiel zivilgesellschaftlichen Engagements….

Das vollständige Interview ist im trailer-Magazin 09/17 und auf www.trailer-ruhr.de erschienen.

Hier lesen Sie das vollständige Interview mit Lamya Kaddor.

Zivilgesellschaftliches Engagement von Muslim*innen

Gott will es

Juli 2017 im thüringischen Themar: 6.000 Neonazis feiern ungestört eine rechtsextreme Party und freuen sich, mit pfiffigen T-Shirt-Aufrucken wie „HKNKRZ“ den Rechtsstaat zu foppen. Ungestört? Fast. Außer 300 mutigen GegendemonstrantInnen ist da noch Nemi El-Hassan, Anfang 20, anhand ihres Kopftuchs deutlich als Muslima erkennbar. Sie ist unterwegs für das Format „Jäger & Sammler“ von funk, dem jungen Medienportal von ARD und ZDF. Vor laufender Kamera nimmt sie Veranstalter und Neonazi-Aktivist Tommy Frenck in seiner Kneipe in die Mangel. Inmitten von NS-Souvenirs konfrontiert Nemi, deren Eltern aus dem Libanon stammen und die selbst in Deutschland geboren ist, Frenck mit der Frage, ob sie für ihn eine Deutsche sei. Frenck antwortet: „Nein, Sie sind Libanesin. Man kann eine Staatsbürgerschaft haben, aber man ist, was man durch Geburt ist“. Verstanden? Ich auch nicht.

Hier soll es ohnehin nicht um krude, nationalistische Ideologien gehen, sondern um zivilgesellschaftliches Engagement von MuslimInnen in Deutschland. Sie engagieren sich unabhängig von ihrem Glauben ehrenamtlich in (Sport)Vereinen oder schließen sich gerade aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit liberalen Verbänden wie dem Muslimischen Forum Deutschland oder dem Liberal Islamischen Bund an, wo sie sich klar zu einer Islamauffassung positionieren, die gesellschaftliche Pluralität anerkennt. Andere treten bewusst öffentlich als MuslimInnen in Erscheinung, setzten sich aber für oder gegen etwas ein, was auch die sogenannte deutsche Mehrheitsgesellschaft betrifft und mit dem Islam nur indirekt (Terror) oder nichts (Rechtsextremismus) zu tun hat. Nemi El-Hassan ist dafür ein gutes Beispiel….

Der Artikel ist erschienen im trailer-Magazin 09/17 und auf www.trailer-ruhr.de.
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Transnationales Ensemble Labsa macht auf verschwundene, minderjährige Geflüchtete aufmerksam

Was bleibt, wenn ein Freund verschwindet? Das Transnationale Ensemble Labsa zeigt einen Kurzfilm über Merih, einer von über 8.000 minderjährigen, unbegleiteten Flüchtlingen, die in Deutschland als vermisst gelten.

Stellen Sie sich vor, Sie wachen morgens auf und ihr Kind ist verschwunden, einfach so. Was tun Sie? Sie rufen ihren Sohn oder ihre Tochter auf dem Handy an, kontaktieren FreundInnen ihres Kindes. Danach melden Sie sich bei der Polizei, eine Vermisstenanzeige wird aufgenommen. Vielleicht kleben Sie Plakate, starten Aufrufe im Internet, suchen in Sozialen Netzwerken, in denen sich ihr Kind bewegte, nach Hinweisen. Wenn Sie es geschickt anstellen, mobilisieren Sie eine breitere Öffentlichkeit, die Presse berichtet über den Fall, das Foto wird im Fernsehen gezeigt. Die Polizei ermittelt akribisch, eine Sondereinheit verfolgt Spuren, Hundertschaften durchkämmen den nahe gelegenen Wald. Trotzdem machen Sie sich Vorwürfe, vermuten das Schlimmste, verzweifeln, denn nichts ist schlimmer als die Ungewissheit.

Was passiert, wenn ein unbegleiteter, minderjähriger Flüchtling verschwindet? Zunächst einmal nicht viel, zumindest auf Behördenseite: Asyleinrichtungen oder die zuständigen Jugendämter melden das Verschwinden, Daten werden ausgetauscht. Das kommt nicht selten vor: Auf eine kleine Anfrage von der Fraktion der Grünen gab der Deutsche Bundestag am 13.4.2016 an, dass 2015 in Deutschland 8.004 minderjährige Geflüchtete vermisst werden. Der „Bundesverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ meldete Anfang 2016, dass laut Europol in den 18-24 Monaten zuvor europaweit 10.000 minderjährige Geflüchtete verschwunden seien. Genaue Zahlen fehlen…

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Aktivisten von 12thMemoRise präsentieren die Doku „Glaubenskrieger“ in Essen

Schnell wurde Kritik laut, als Mitte Juni einige tausend Menschen in Köln friedlich gegen islamistischen Terror demonstrierten: Wieso so wenig, wo sind sie denn, die MuslimInnen, die sich öffentlich gegen den im Namen ihrer Religion verübten Terrorismus stellen? Lamya Kaddor, Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes, erklärte auf der Demo, man könne sich nur von etwas distanzieren, zu dem man zuvor eine Nähe verspürt habe. Sie wolle sich vielmehr positionieren und ein Zeichen gegen Gewalt setzen.

Den einen, homogenen Islam und „die“ MuslimInnen gibt es zwar nicht, Kritik am radikalen Islam aus dem Innern der muslimischen Glaubensgemeinschaft organisiert sich aber durchaus. Zum Beispiel in Düsseldorf: Dort wohnen die Gründer des Netzwerks „12thMemoRise“. Seit 2015 macht die Gruppe mit drastischen Aktionen in der Öffentlichkeit auf sich aufmerksam. In der Essener Innenstadt stellten sie eine Hinrichtung des sogenannten IS nach und veranstalteten einen fiktiven Sklavenmarkt, wie er unter dem IS in Mossul Realität war. Die Videos zu diesen Aktionen verbreiten sie auf ihrem YouTube-Channel oder dem offiziellen Facebook-Profil, wo sie sich auch langwierigen Diskussionen in den Kommentarspalten stellen.

Ihr Ziel ist es, eine Diskussion innerhalb der muslimischen Community zu provozieren und auf die Gefahren von Strömungen wie dem Salafimus aufmerksam zu machen, in Deutschland personifiziert durch Konvertiten wie Sven Lau oder Pierre Vogel. Bei ihren Aktionen orientieren sie sich an der modernen Filmästhetik, die sich auch der IS zunutze macht, um Jugendliche zu erreichen.

Der deutsch-amerikanische Filmemacher Till Schauder porträtiert „12thMemoRise“ aktuell in seiner Dokumentation mit dem bewusst provokativen Titel „Glaubenskrieger“…

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Weltpremiere von Sönke Wortmanns „Sommerfest“ am 21.6. in Bochum

Bochum, 21. Juni: Am längsten Tag des Jahres drängeln sich bei perfektem Sommerwetter viele Menschen durch das Bochumer Bermudadreieck. Wo andere Premieren die Stargäste auf dem roten Teppich abschirmen, herrscht vor dem Casablanca und dem Union-Kino reges Gewusel. Die Weltpremiere von Sönke Wortmanns neuem Film „Sommerfest“, nach einem Roman des Bochumer Urgesteins Frank Goosen, findet aufgrund des großen Andrangs zeitgleich in den zwei gegenüberliegenden Kinos statt.

Publikum, Filmschaffende und Feierwütige auf dem Weg in die nächste Kneipe sind kaum auseinander zu halten. Goosen selbst schlendert fast unauffällig vorbei und berichtet kurz, dass er sehr zufrieden mit der Verfilmung sei, die den Ton des Buches auf den Punkt treffe. Hauptdarsteller Lucas Gregorowicz, seit seinem Durchbruch mit der Kifferkomödie „Lammbock“ 2001 gut gealtert, kommt mit Anna Bederke, die im Film seine Jugendliebe spielt. Bederke stammt nicht aus dem Pott, habe sich aber beim Dreh in Bochum sofort „eingemeindet gefühlt“ und findet, dass die Betriebstemperatur ihrer Heimat Hamburg durchaus mit der des Ruhrgebiets vergleichbar s

Frank Goosen, Bochumer Urgestein und Autor der Romanvorlage, bei der Premiere.

Auch Stefan Arndt (X Filme Creative Pool), Tom Spieß (Little Shark Entertainment), Dr. Barbara Buhl (WDR) und Manuela Stehr (X Verleih) sind gekommen, um die Premiere zu feiern. Allein Regisseur Sönke Wortmann ist sichtlich nervös. Verständlich, denn das Ruhrgebiet ist für seine bisweilen distanzlose Offenheit bekannt. Was dem Publikum nicht schmeckt, wird hier auch nicht gefressen….

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