Interview mit Konflikt- und Gewaltforscher Prof. Andreas Zick über Streitkultur und Gesellschaftsdialog

Herr Zick, in Bezug auf den demokratischen Konflikt sprechen Sie von einer „Kultur der Provokation“. Was ist damit gemeint?
Andreas Zick: In der Konfliktforschung analysieren wir Konflikte zwischen verschiedenen Gruppen. Konflikte entstehen, wenn die unterschiedlichen Interessen von Gruppen aufeinanderprallen. Meist setzt eine Provokation eine Konfliktdynamik in Gang und diese ist eingebettet in eine Kultur, damit Konflikte regulierbar bleiben. Kulturen der Provokationen finden wir in vielen Konflikten, wie zum Beispiel politischen Debatten. Konflikte sollen ja eine Veränderung herbeiführen und die Provokation motiviert dazu, sich in Bewegung zu setzten. Das heißt, eine Gruppe oder Partei möchte mittels Provokation die andere dazu animieren, sich zu bewegen.

Hat sich diese Kultur der Provokation in den letzten Jahren verändert?
Sehr deutlich sogar. Gewissermaßen ist die Kultur der politischen Provokation erodiert, weil die Provokation an vielen Stellen der Wut und dem Populismus gewichen ist. Seit 14 Jahren führen wir am Bielefelder Institut für Gewalt- und Konfliktforschung große, repräsentative Umfragen zu gesellschaftlichen Konflikten durch. Dabei interessiert uns, ob und inwieweit auch Vorurteile und antidemokratische Meinungen in Provokationen einsickern. Uns interessiert, wer in der Gesellschaft abgewertet und ausgegrenzt wird, wie und warum solch menschenfeindliche Mechanismen entstehen. Das berührt auch den Zustand der Demokratie. In den Mitte-Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung haben wir dann 2011 danach gefragt, wie rechtsextreme Strömungen in der Mitte der Gesellschaft verhaftet sind und ob das ein Beleg dafür ist, dass die Gesellschaft insgesamt antidemokratischer wird. Unsere Ergebnisse decken sich mit dem Empfinden, dass sich bestimmte politische Milieus erst polarisiert, dann radikalisiert haben. Die üblichen Provokationen weichen rechtspopulistischer und -extremer Agitation.

Durch rechtspopulistische Milieus?
Vor allem dort hat sich die Kultur der Provokation in eine des Widerstands verwandelt. Menschen, die rechtspopulistisch unterwegs sind, Kritik an den Eliten äußern und gegen alles Fremde argumentieren glauben, dass ihr Protest notwendige Provokation ist, um das System zu verändern. Die Provokation hat sich radikalisiert und verbunden mit einer Idee des Widerstandes gegen die Eliten, die das Volk angeblich nicht repräsentieren. Das wäre nicht neu, aber sie hängt zunehmend von Abgrenzungen vermeintlicher Fremder ab…

Das Interview ist erschienen im trailer-Magazin 01/18 und auf:
www.trailer-ruhr.de

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