Nicht verRecken

Protokoll zu Filmscreening & Diskussion im Rahmen der 45. Duisburger Filmwoche

Eine alte Frau blickt in die Kamera, zögert kurz und sagt dann leise: „Gott sei Dank vergisst man. Erst wenn man danach gefragt wird, erinnert man sich und merkt, dass sich da doch etwas eingebrannt hat“. Sie spricht als eine der letzten Zeitzeuginnen über einen der sogenannten „Todesmärsche“, der 1945 ihr Dorf passierte. In der Endphase des Zweiten Weltkrieges wurden tausende entkräftete KZ-Häftlinge dazu gezwungen, die frontnahen Lager zu verlassen. Ohne geeignete Kleidung und Versorgung mussten sie bis zu 40 Kilometer am Tag marschieren. Wer zusammenbrach, wurde sofort erschossen. Ein historisch gut erforschtes, aber in der kollektiven Erinnerungskultur wenig präsentes Kapitel nationalsozialistischer Verbrechen. Das Zitat der Zeitzeugin zeigt: Vergessen ist keine Option, weder für die Opfer und die Überlebenden, noch für unsere Gesellschaft. Aber können wir auch filmisch an den Holocaust erinnern?

Diese Frage ist nicht neu und berührt das Dilemma, Bilder für etwas zu finden, was sich unserer Vorstellungskraft gänzlich entzieht. Claude Lanzman hat in diesem Kontext einmal gesagt, fände er authentische Bilddokumente aus den Gaskammern, würde er sie sofort vernichten. Mit „Shoah“ (1985) etablierte er stattdessen die Methode, Orte aufzusuchen, denen die dort verübten Verbrechen nicht mehr anzusehen sind. Für „Nicht verRecken“ orientiert sich Martin Gressmann an diesem Konzept…

Der vollständige Text ist online auf Protokult, der Online-Plattform für die Protokolle der Duisburger Filmwoche, erschienen. Hier geht’s direkt zum Text.

Außerdem erschienen in diesem Rahmen Protokolle von mir zu:

Köy (R: Serpil Turhan)
Herr Bachmann und seine Klasse (R: Maria Speth)
Zuhurs Töchter (R: Laurentia Genske, Robin Humboldt)

Archive des Alltags (filmdienst)

Rezension zu „Was wir filmten. Filme von ostdeutschen Regisseurinnen nach 1990“

Petra Tschörtners Dokumentarfilm „Berlin –Prenzlauer Berg. Begegnungen zwischen dem 1. Mai und dem 1. Juli 1990“ beginnt mit einer Einstellung der filmhistorisch symbolisch aufgeladenen „Ecke Schönhauser“. Von dort setzt sich der Streifzug durch den Szenekiez fort. In der alten Eckkneipe, vor „Konnopkes Imbiss“ oder in der Textilfabrik offenbaren DDR-Bürgerinnen und -Bürger Hoffnungen und Ängste, die sie wegen der bevorstehenden Währungsunion umtreiben. Das Gewohnte scheint sich bereits aufzulösen, die interviewten Menschen wirken fast skurril. Die filmische Ästhetik, mit der die Regisseurin hier auf 35mm-Schwarz-weiß-Material diesen Schwebezustand, den urbanen Rhythmus und die verschiedenen Subkulturen einfängt, assoziiert große Vorbilder wie Walter Ruttmanns „Berlin – die Sinfonie der Großstadt“ oder Dziga Vertovs „Der Mann mit der Kamera“. Wer „Berlin – Prenzlauer Berg“ gesehen hat, fragt sich, warum bloß Petra Tschörtner, die in Babelsberg mit Helke Misselwitz und Thomas Heise studierte, „als Filmemacherin verloren“ gegangen ist, wie Matthias Dell 2012 in seinem Nachruf auf sie schrieb.

Der Sammelband „Was wir filmten. Filme von ostdeutschen Regisseurinnen nach 1990“ nimmt diese und weitere Fragen, die über die Filmhistorie hinausreichen, in den Blick. Der Schwerpunkt liegt dabei meist auf Dokumentar- und Experimentalfilmen. Die ehemaligen DEFA-Regisseurinnen waren hier im Vergleich zum Spielfilm stärker vertreten, ihre Geschichte und ihre Erfahrungen der Wendejahre sind jedoch bisher weit weniger erforscht. Anders als der Titel suggeriert, wird neben dem ostdeutschen Filmschaffen nach 1990 auch die DDR selbst immer wieder zum Thema….

Der vollständige Text ist erschienen auf filmdienst.de. Hier geht’s zum vollständigen Text.