Filmkritik „Tatami“ in der Freitag

Inspiriert von einem wahren Fall schildert der Film „Tatami“ den Konflikt einer iranischen Judoka bei einem internationalen Wettbewerb. Politisch brisant: Es ist die erste israelisch-iranische Kooperation der Filmgeschichte

Leila Hosseini (Arienne Mandi) kniet auf der Matte. Nur ihr schwerer Atem ist zu hören, alles andere klingt dumpf. Drei Kämpfe hat sie gewonnen, aber jetzt hat sie einfach keine Kraft mehr. Der iranische Judo-Verband setzt sie seit Stunden unter Druck, unter einem Vorwand aus dem Wettkampf um die Weltmeisterschaft auszusteigen. Aus Sicht des Regimes darf sie auf keinen Fall gegen eine israelische Sportlerin antreten, das wäre ein Sakrileg. Leila hat diesem Druck lange standgehalten. Aber nun ist sie geschwächt, verletzt und ausgelaugt. Verliert sie jetzt, war alles umsonst.

Tatami wurde von dem realen Fall Saeid Mollaei inspiriert. Bei der Judo-Weltmeisterschaft in Tokio 2019 versuchte der iranische Judo-Verband, Mollaei auf Befehl von oben zur vorzeitigen Aufgabe zu zwingen, um einen Kampf mit dem Israeli Sagi Muki zu vermeiden. Mollaei widersetzte sich. Obwohl er vorher ausschied und es gar nicht erst zur Begegnung mit Muki kam, kehrte er aus Furcht vor Repressionen nicht in seine Heimat zurück. Aber Mollaeis Schicksal ist kein Einzelfall. Der Gewichtheber Mostafa Rajai schüttelte 2023 bei der Senioren-WM einem israelischen Konkurrenten die Hand und…

Der Text ist in Print in der Freitag 31/24 erschienen und online hier abrufbar.

Thementext „Lächle doch mal!“ in epd 7/24

Zu dünn, zu dick, zu cool, zu schüchtern… und dann auch noch schlecht gelaunt. Junge Schauspielerinnen können nichts richtig machen. Prominente leben von der öffentlichen Aufmerksamkeit, Aber niemand steht mehr unter den Argusaugen der Presse als junge Schauspielerinnen. Warum machen wir ihnen das Leben und Arbeiten so schwer?

Die Dreharbeiten zu James Camerons »Titanic« (1997) verlangten Hauptdarstellerin Kate Winslet einiges ab. Vier Monate lang schlief sie maximal vier Stunden pro Nacht, litt an Unterkühlung, war mehrfach schwer erkältet und wäre einmal fast ertrunken. Was den Medien-Hype um »Titanic« begleitete, war aber nicht die physische oder darstellerische Leistung der damals erst 22-jährigen Winslet, die zuvor in Peter Jacksons »Heavenly Creatures« und »Sinn und Sinnlichkeit« ihr Talent bewiesen hatte. Während sich eine Generation von Fans in Leonardo DiCaprio schockverliebte, ging es bei seinem Co-Star meistens ums Gewicht. Hartnäckig hielt sich beispielsweise folgender Gag: Wäre Rose nur schlanker gewesen, hätten beide nach der Havarie des Schiffs auf der Tür überleben können und Jack wäre nicht ertrunken. Die Boulevardzeitungen konnten auch Jahre später nicht genug davon bekommen, Winslets angeblich zu großes Gewicht wieder und wieder zu thematisieren. 

Jetzt ließe sich einwenden: Prominenz bringt eben nicht nur Privilegien. Die Boulevardpresse interessiert sich nicht für künstlerische Leistungen. Klatsch und Tratsch sind schnell produziert und locken die Masse. Trotzdem gehen Medien und Öffentlichkeit mit keiner Gruppe härter ins Gericht als mit jungen Schauspielerinnen, insbesondere wenn sie im Rampenlicht erwachsen werden. Ihre Körper werden anders als die ihrer Kollegen ganz selbstverständlich zur Verhandlungssache, die öffentlich kommentiert, kritisiert und fetischisiert werden darf. Hinzu kommt ein Phänomen, das Schauspielerin Amandla Stenberg, damals Nebendarstellerin in »Die Tribute von Panem«, 2016 als »Jennifer Lawrence Fatigue« bezeichnete…..

Der Text erschien in der Print-Ausgabe von epd-Film und ist hier online abrufbar.

Sterben

Kaputte Körper im Alter, unkaputtbare Frauenfiguren, dysfunktionale Familien und ein sympathischer Lars Eidinger: Matthias Glasner riskiert viel und erschafft einen fast grandiosen Film, bei dem er nur manchmal die Balance verliert

Es besteht ein schmaler Grat zwischen der kreativen Vision, mit der Künstler*innen kreativ ihr Innerstes nach außen vermitteln wollen, und dem, was einem Publikum zuzumuten ist. Wer kompromisslos sein Ding durchzieht, geht das Risiko ein, nicht verstanden zu werden. Biedert man sich zu sehr an den Mainstream an, kippt die emotionale Botschaft schnell in Kitsch. So erklärt es sinngemäß der von Selbstzweifeln geplagte Komponist Bernard (Robert Gwisdek) an einer Stelle in Matthias Glasners »Sterben«. Es passt zur feinen Selbstironie des Films, dass dieser den beschriebenen Balanceakt selbst nicht durchgehend meistert….

Die ganze Kritik auf epd film lesen

Thementext GIRLHOOD in epd film 01/2024

»Barbie« hat gezeigt, dass man mit Filmen für weibliches Publikum richtig Kasse machen kann. Und Gerwigs Blockbuster markiert nur die Spitze eines Trends: Das Kino entdeckt Mädchen und junge Frauen als Zielgruppe wieder.

»It is literally impossible to be a woman. [. . .] We have to always be extraordinary, but somehow we’re always doing it wrong.« Mit dieser Aussage beginnt America Ferreras Monolog in »Barbie«. Sie zählt darin auf, wie schwierig und im Grunde unmöglich es ist, all die paradoxen Herausforderungen zu erfüllen, die an Frauen gestellt werden. Aber niemand – bis auf Barbie selbst – ­wird als Frau geboren. Die Gesellschaft mit ihren Normen und Rollenerwartungen beeinflusst das Selbst- und Fremdbild von Mädchen und Teenagern. Dass sie in ihrer Kindheit, Jugend und Pubertät zwangsläufig andere Erfahrungen machen als Jungen, interessierte das Kino allerdings jahrzehntelang nicht. Das ändert sich allmählich. Molly Manning Walkers »How to Have Sex« oder Catherine Corsinis neuer Film »Rückkehr nach Korsika«, der in Cannes lief und demnächst bei uns ins Kino kommt, sind dafür aktuelle Beispiele: Beide erzählen authentisch und mit komplexen Frauenfiguren im Mittelpunkt davon, wie es ist, als Mädchen oder junge Frau in dieser Welt zurechtzukommen. 

Wie revolutionär das ist, zeigt ein Rückblick in die Genese des Genres, das diesen Lebensabschnitt in den Blick nimmt wie kein anderes: der Coming-of-Age-Film. Das aufgrund seiner schieren Reichweite Stereotype prägende und Diskurse bestimmende US-amerikanische Kino spielte dabei eine wichtige Rolle. Coming-of-Age als Genre lässt sich nicht genau definieren, weist Überschneidungen mit Komödie, Drama oder dem Horrorfilm auf. Es entstand in den frühen 1950er Jahren, als Hollywood eine bis dato unbekannte Zielgruppe für sich entdeckte: Teenager. Damit waren allerdings vor allem junge, weiße Männer an der Schwelle zum Erwachsenwerden gemeint. In frühen Meilensteinen wie »Der Wilde« mit Marlon Brando (1953), . . . »Denn sie wissen nicht, was sie tun« (der James Dean 1955 zum Ruhm katapultierte) oder »Sie küssten und sie schlugen ihn«, mit dem François Truffaut 1959 die Nouvelle Vague mitbegründete, sind adoleszente Männer Motor und Fluchtpunkt der Handlung. 

Männliche Figuren und ihre Konflikte veränderten sich in den folgenden Jahrzehnten, wurden komplexer, sexuell aktiv und tummelten sich in verschiedenen soziokulturellen Milieus. Die Rolle der jungen Frau – ­so sie denn überhaupt vorkam – tangierte das nicht. In »Die Reifeprüfung« von 1967 ist Elaine nur das passive Love Interest von Benjamin Braddock, in »American Graffity« sorgen die Girlfriends der Männerclique für Stress. 1983 inszenierte Francis Ford Coppola…

Der Text ist in Print erschienen in epd film 01/2024 und ist online hier verfügbar: Ganzen Text auf epd film online lesen

Porträt Alice Gruia in der Freitag

Alice Gruias Serie „Lu von Loser“ mit der Regisseurin selbst in der Titelrolle überzeugt auch in der zweiten Staffel – die Zuschauer:innen erwartet schwarzer Humor und ein ehrlicher Blick auf das Leben einer Alleinerziehenden

Als Alice Gruia nach der Premiere der zweiten Staffel ihrer „Sadcom“ Lu von Loser im Rahmen des Kölner Seriencamps im Juni die Bühne betritt, ist ihr die Erleichterung sichtlich anzumerken. Sie holt ihr Team nach vorne, dankt jedem und jeder Einzelnen und badet im Applaus. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer unerwarteten Erfolgsgeschichte.

Schon die erste Staffel rund um die ungeplant schwangere Musikerin Lu, die wieder bei ihrer Mutter in Köln einziehen muss, nachdem sie sich mit ihrer Band zerstritten hat, war eine Überraschung, auch für Lus Schöpferin Gruia selbst. 1983 geboren und in Bonn aufgewachsen, absolvierte sie eine….

Der Text ist erschienen in der Freitag 30/23 und online abrufbar unter freitag.de

Aus sicherer Entfernung

Einleitung zur Essayreihe „Distanzmontage“ im Auftrag der Duisburger Filmwoche 2023

Kollektives Filmerleben wird in Duisburg seit fast 50 Jahren durch anschließende Gespräche in den öffentlichen Raum des Diskussionssaals verlängert, die dort ausgetauschten Seherfahrungen und Gespräche in den Protokollen festgehalten. Die gezeigten Filme wirken so in mehrfacher Hinsicht nach. Seit 2020 ist das Protokoll-Archiv virtuell zugänglich und um einen Blog mit weiteren Texten zum Dokumentarfilm ergänzt worden. Für die aktuelle Textreihe haben wir 2023 Journalistinnen, Wissenschaftlerinnen, Filmemacher und -vermittlerinnen eingeladen, dort in der Festivalhistorie nach verbindenden Elementen zu suchen: Zwischen den in Duisburg gezeigten Filmen und den in ihnen und im Anschluss an sie verhandelten Diskursen. Ihre Ausgangspunkte sind – neben den Filmen der 46. Duisburger Filmwoche 2022 – ausführliche Recherchen in unserem Protokoll-Archiv. Ihre Texte erscheinen hier unter dem Titel Distanzmontage.

Der Begriff Distanzmontage geht auf den armenischen Dokumentarfilmregisseur Artavazd Peleschjan zurück. Ihre Besonderheit liegt darin, „daß eine Montageverbindung über Abstände hinweg nicht nur Einzelelemente als solche […] verknüpft, sondern auch […] ganze Elementkomplexe wobei es zu einer Wechselwirkung zwischen einem Prozeß mit einem anderen, ihm kontroversen Prozeß kommt. Dies nenne ich das Blockprinzip der Distanzmontage.“1 Peleschjan geht davon aus, so die Wahrnehmung für das filmische Erleben zu intensivieren. Mit jeder neu hinzukommenden Einstellung soll das zuvor Gesehene neu bewertet, definiert und reflektiert werden. Fast so, als würden wir einen Film mit jeder Szene erneut rekapitulieren und am Ende nochmals rückwärts lesen.

Um eine gedankliche Einkreisung, die im Rückblick bisher Unverbundenes zueinander in Bezug setzt, bemühen sich auch die hier versammelten Texte. Wie bei der Distanzmontage ergibt sich durch die rückwärtige Lektüre eine neue Sicht auf die Filme, aber auch auf Fragen und Diskurse, die darüber hinausweisen.

Michelle Koch denkt über Spannungs- und Machtverhältnisse innerhalb der Konstellation Protagonist:in – Regie – Publikum nach und fragt, wer hier eigentlich das Wort hat. Marion Biet beschreibt, wie sich das Verhältnis von Untertiteln mit und im Bild in den letzten Jahrzehnten verändert hat und streift ebenfalls Fragen der Übersetzung zwischen kulturellem Transfer und bewusster Auslassung. Petra Palmer widmet sich den sozialen Räumen, die Dokumentarfilme abbilden, (re)konstruieren und antizipieren – ästhetisch oder in utopischen Konzepten – und wie sich Menschen darin situieren oder diese subversiv unterlaufen. Ausgehend von der ersten gemeinsamen Konferenz mit unserem Partnerfestival doxs! dokumentarfilme für kinder und jugendliche überlegt Mirjam Baumert, wie Dokumentarfilmen und Kurator:innen ein intergenerationeller Dialog gelingen kann. Oliver Schwabe wendet sich Filmen zu, die das Fernsehen historisieren, untersucht die Mitwirkung des Mediums an meinungsbildenden Prozessen und schildert seine persönlichen Erfahrungen im Umgang mit TV-Archivmaterial. Fiona Berg schließlich betrachtet, wie Natur als Resonanzraum für die teils romantisierten Sehnsüchte der urbanisierten Gesellschaften inszeniert und vereinnahmt wird, statt sie in ihrem Wert an sich und in ihrer verletzlichen Vergänglichkeit filmisch zu respektieren und zu bewahren.

Die Texte selbst laden dazu ein, die Programmhistorie der Duisburger Filmwoche noch einmal zu rekapitulieren und dabei neue Standpunkte, Diskurse oder schlicht noch ungesehene Dokumentarfilme zu entdecken.

1 Zitiert nach: Norbert M. Schmitz: „Distanzmontage als modernes Kunstprinzip. Artavazd Peleschjans Theorie und Praxis der Montage“ in: montage AV 20/1/2011.

Die Texte der Essayreihe erscheinen sukzessive auf dem Blog der Duisburger Filmwoche und können hier online abgerufen werden.
Als verantwortliche Redakteurin habe ich gemeinsam mit den Verantwortlichen der Filmwoche Themen erarbeitet, Autor*innen gesucht und die Veröffentlichung der Texte betreut.

Alcarràs – Die letzte Ernte (epd Film)

Das Porträt einer Großfamilie fesselt durch die genaue Beobachtung des landwirtschaftlichen Lebens, der familiären Dynamik und ein fantastisches Laienensemble

Pfirsichbäume, so weit das Auge reicht. Wind, der sanft durch Blattwerk raschelt. Regen, der auf das Land hinunterprasselt. Das rot-gelbe Leuchten der reifen Früchte. Immer wieder verweilt der Blick auf der Schönheit dieser Obstplantage in Alcarràs im Nordosten Spaniens. Seit Jahrzehnten werden hier von der Familie Solé Pfirsiche angebaut, gehegt und geerntet. Es ist ein hartes Geschäft für alle Beteiligten und die Existenzgrundlage von drei Generationen. Doch die Tage der Plantage sind gezählt. Der Vater von Opa Roger (Albert Bosch) hatte einst im Spanischen Bürgerkrieg die Großgrundbesitzer versteckt und ihnen so das Leben gerettet. Als Dank dafür wurde das Land damals an die Familie Solé übergeben, per Handschlag. Einen schriftlichen Vertrag gibt es nicht. Jetzt hat der offizielle Grundbesitzer Pinyol neue Pläne und teilt den Solés mit, dass die Plantage nach der letzten Ernte einem Solarpark weichen muss.

»Alcarràs – Die letzte Ernte« gewann überraschend den Goldenen Bären bei der diesjährigen Berlinale. Überraschend deswegen, weil das ausschließlich mit Laien besetzte und langsam erzählte Familienporträt kein kontroverser Film und nur in Ansätzen politisch ist. Das Interesse von Regisseurin Carla Simón richtet sich ganz auf die generationenübergreifende Dynamik der Großfamilie und die landwirtschaftliche Arbeit, was auch den Reiz des Films ausmacht….

Der Text ist erschienen in epd 4/22 oder online in voller Länge lesbar hier.

Halb so wild (der Freitag)

Mit „Jurassic World: Ein neues Zeitalter“ endet das Dino-Franchise, das 1993 mit „Jurassic Park“ seinen Anfang nahm. Was verrät der Blockbuster rund um Dinosaurier, die plötzlich mitten unter uns leben, über uns selbst?

Dank Steven Spielbergs Jurassic Park brannten sich Anfang der 1990er-Jahre Dinosaurier als lebende, atmende und fressende Wesen in das popkulturelle Gedächtnis einer ganzen Generation ein. Insgesamt waren die computertechnisch animierten Dinosaurier lediglich eine Viertelstunde lang auf der Leinwand zu sehen, aber die Wirkung war durchschlagend. Der Film faszinierte ein Millionenpublikum und löste eine Dino-Mania aus, die sich sogar in der Wissenschaft bemerkbar machte. Die für verstaubt gehaltene Paläontologie bekam ein ganz neues Image, was der Disziplin zeitversetzt sogar dringend nötigen Nachwuchs bescherte. Filmhistorisch setzte Jurassic Park Maßstäbe in der Computer-Generated-ImageryTechnik (CGI) und begründete ein Dino-Franchise, das noch heute eine riesige Fanbase hat, die nostalgisch auf den ersten Film zurückblickt.

Am 8. Juni kommt mit Jurassic World: Dominion (deutscher Verleihtitel Jurassic World 3: Ein neues Zeitalter) der vermutlich letzte Teil der zweiten Trilogie in die deutschen Kinos. Wie wirkmächtig die nostalgischen Gefühle noch heute sind, zeigte sich Ende Mai bei der Deutschlandpremiere im Kölner Cinedom. Regisseur und Teile des Ensembles flanierten über den roten Teppich und an einem lebensgroßen T-Rex-Modell vorbei. Fans und Journalist*innen – oft in Personalunion – beklatschten artig Colin Trevorrow und seine Stars Mamoudou Athie, DeWanda Wise und Bryce Dallas Howard. Aber erst als Jeff Goldblum, als Dr. Ian Malcolm ein Urgestein des Franchise, der Limousine entstieg, brüllten alle euphorisch durcheinander.

Als Auftakt der neuen Trilogie (die alte hatte mit dem 2001 gestarteten Jurassic Park III ein etwas unbefriedigendes Ende gefunden) gelang Jurassic World 2015, nun mit Chris Pratt als Dino-Zähmer, schon gleich ein neuer Rekord. Als erster Film der Geschichte spielte er am Startwochenende mehr als 500 Millionen Dollar ein und knackte nach zwei Wochen bereits die Eine-Milliarde-Dollar-Marke. Ein solider Grundstein für eine neue Trilogie also. Die Fans strömten ins Kino, auch wenn sie angesichts hybrider Monster, sinnlos gekillter Lieblingsdinos, mit Klickern abgerichteter Raptoren und insgesamt zu viel CGI enttäuscht waren. Die Freilassung der Dinosaurier in die Zivilisation am Ende des Folgefilms The Fallen Kingdom (2018) weckte jedoch neue Hoffnung auf ein furioses Finale. Als dann noch bekannt wurde, dass mit Jeff Goldblum, Sam Neill und Laura Dern der Cast von 1993 in Dominion auf den Nachwuchs aus Jurassic World treffen würde, explodierten Begeisterung und Spekulationen in den sozialen Medien.

Auf ein maximal breites Publikum ausgelegt, verraten Blockbuster immer etwas über den Zeitgeist, in dem sie entstehen. Jede Ära bekommt mithin den Blockbuster, den sie verdient, und das macht die Ausgangssituation von Dominion besonders interessant: Kann die Menschheit mit Dinosauriern koexistieren? Spiegeln sich darin die realen Herausforderungen von Klimawandel und Artensterben? Lernt die Menschheit endlich Demut?

Hier geht’s zum online in der Freitag.
Der Text ist zuerst erschienen in Print in: der Freitag, 9. Juni, 23. Ausgabe, S. 23.

Nicht verRecken

Protokoll zu Filmscreening & Diskussion im Rahmen der 45. Duisburger Filmwoche

Eine alte Frau blickt in die Kamera, zögert kurz und sagt dann leise: „Gott sei Dank vergisst man. Erst wenn man danach gefragt wird, erinnert man sich und merkt, dass sich da doch etwas eingebrannt hat“. Sie spricht als eine der letzten Zeitzeuginnen über einen der sogenannten „Todesmärsche“, der 1945 ihr Dorf passierte. In der Endphase des Zweiten Weltkrieges wurden tausende entkräftete KZ-Häftlinge dazu gezwungen, die frontnahen Lager zu verlassen. Ohne geeignete Kleidung und Versorgung mussten sie bis zu 40 Kilometer am Tag marschieren. Wer zusammenbrach, wurde sofort erschossen. Ein historisch gut erforschtes, aber in der kollektiven Erinnerungskultur wenig präsentes Kapitel nationalsozialistischer Verbrechen. Das Zitat der Zeitzeugin zeigt: Vergessen ist keine Option, weder für die Opfer und die Überlebenden, noch für unsere Gesellschaft. Aber können wir auch filmisch an den Holocaust erinnern?

Diese Frage ist nicht neu und berührt das Dilemma, Bilder für etwas zu finden, was sich unserer Vorstellungskraft gänzlich entzieht. Claude Lanzman hat in diesem Kontext einmal gesagt, fände er authentische Bilddokumente aus den Gaskammern, würde er sie sofort vernichten. Mit „Shoah“ (1985) etablierte er stattdessen die Methode, Orte aufzusuchen, denen die dort verübten Verbrechen nicht mehr anzusehen sind. Für „Nicht verRecken“ orientiert sich Martin Gressmann an diesem Konzept…

Der vollständige Text ist online auf Protokult, der Online-Plattform für die Protokolle der Duisburger Filmwoche, erschienen. Hier geht’s direkt zum Text.

Außerdem erschienen in diesem Rahmen Protokolle von mir zu:

Köy (R: Serpil Turhan)
Herr Bachmann und seine Klasse (R: Maria Speth)
Zuhurs Töchter (R: Laurentia Genske, Robin Humboldt)

Archive des Alltags (filmdienst)

Rezension zu „Was wir filmten. Filme von ostdeutschen Regisseurinnen nach 1990“

Petra Tschörtners Dokumentarfilm „Berlin –Prenzlauer Berg. Begegnungen zwischen dem 1. Mai und dem 1. Juli 1990“ beginnt mit einer Einstellung der filmhistorisch symbolisch aufgeladenen „Ecke Schönhauser“. Von dort setzt sich der Streifzug durch den Szenekiez fort. In der alten Eckkneipe, vor „Konnopkes Imbiss“ oder in der Textilfabrik offenbaren DDR-Bürgerinnen und -Bürger Hoffnungen und Ängste, die sie wegen der bevorstehenden Währungsunion umtreiben. Das Gewohnte scheint sich bereits aufzulösen, die interviewten Menschen wirken fast skurril. Die filmische Ästhetik, mit der die Regisseurin hier auf 35mm-Schwarz-weiß-Material diesen Schwebezustand, den urbanen Rhythmus und die verschiedenen Subkulturen einfängt, assoziiert große Vorbilder wie Walter Ruttmanns „Berlin – die Sinfonie der Großstadt“ oder Dziga Vertovs „Der Mann mit der Kamera“. Wer „Berlin – Prenzlauer Berg“ gesehen hat, fragt sich, warum bloß Petra Tschörtner, die in Babelsberg mit Helke Misselwitz und Thomas Heise studierte, „als Filmemacherin verloren“ gegangen ist, wie Matthias Dell 2012 in seinem Nachruf auf sie schrieb.

Der Sammelband „Was wir filmten. Filme von ostdeutschen Regisseurinnen nach 1990“ nimmt diese und weitere Fragen, die über die Filmhistorie hinausreichen, in den Blick. Der Schwerpunkt liegt dabei meist auf Dokumentar- und Experimentalfilmen. Die ehemaligen DEFA-Regisseurinnen waren hier im Vergleich zum Spielfilm stärker vertreten, ihre Geschichte und ihre Erfahrungen der Wendejahre sind jedoch bisher weit weniger erforscht. Anders als der Titel suggeriert, wird neben dem ostdeutschen Filmschaffen nach 1990 auch die DDR selbst immer wieder zum Thema….

Der vollständige Text ist erschienen auf filmdienst.de. Hier geht’s zum vollständigen Text.