Interview mit Klimaforscher Felix Ekardt über die Herausforderungen eines nachhaltigen Lebensstils

Herr Ekardt, wir sägen mit unserem Lebensstil an dem Ast, auf dem wir sitzen. Warum fällt es uns so schwer, nachhaltiger zu leben?
Felix Ekardt: Viele denken, es würde am Wissen scheitern, das stimmt aber nur begrenzt. Die, die am meisten wissen, haben tendenziell den größten ökologischen Fußabdruck.  Menschen sind häufig von Eigennutzenkalkülen getrieben, Politiker wollen kurzfristig wiedergewählt werden, Unternehmer wollen ihre Produkte absetzen. Wir alle wollen hier und heute unser Leben leben. Da sind der Klimawandel oder Nachhaltigkeitsziele zeitlich weit weg.

Wir handeln also bewusst wider besseren Wissens?
Was oft vergessen wird: Menschen entscheiden nicht immer bewusst und kalkulierend. Ein Großteil unserer Verhaltensantriebe ist uns wenig oder gar nicht bewusst. Das betrifft etwa unsere Normalitätsvorstellungen. Ein Lebensstil mit der täglichen Autofahrt zur Arbeit, regelmäßigen Urlaubsflügen und einem großen Stück Fleisch ist in Ländern wie Deutschland normal. Dazu kommen unsere Emotionen: Bequemlichkeit, Gewohnheit, Verdrängung. Eine Rolle spielt auch die menschliche Neigung, mit dem Widerspruch zwischen Einstellungen und Verhalten zu leben. Wir reden uns das Ganze schön, fühlen uns in Europa und Deutschland als Umweltvorreiter, dabei sind wir genau das Gegenteil.

Von wem geht Wandel aus?
Gesellschaftlicher Wandel geschieht immer in einem Wechselspiel verschiedener Akteure. Ob man jetzt in erster Linie eine andere Politik, ein anderes Konsumentenverhalten oder anders investierende Unternehmen braucht, ist eine Henne-Ei-Diskussion. Bestimmte Emotionen werden sich wohl nie ändern, aber Normalitätsvorstellungen können sich wandeln. Es muss nicht so sein, dass alle meine Facebook-Freunde jährlich nach Malaysia fliegen, ganz andere Normalitäten sind denkbar….

Das Interview ist erschienen im choices-Magazin 12/17 und auf www.choices.de 

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Interview mit Konflikt- und Gewaltforscher Prof. Andreas Zick über Streitkultur und Gesellschaftsdialog

Herr Zick, in Bezug auf den demokratischen Konflikt sprechen Sie von einer „Kultur der Provokation“. Was ist damit gemeint?
Andreas Zick: In der Konfliktforschung analysieren wir Konflikte zwischen verschiedenen Gruppen. Konflikte entstehen, wenn die unterschiedlichen Interessen von Gruppen aufeinanderprallen. Meist setzt eine Provokation eine Konfliktdynamik in Gang und diese ist eingebettet in eine Kultur, damit Konflikte regulierbar bleiben. Kulturen der Provokationen finden wir in vielen Konflikten, wie zum Beispiel politischen Debatten. Konflikte sollen ja eine Veränderung herbeiführen und die Provokation motiviert dazu, sich in Bewegung zu setzten. Das heißt, eine Gruppe oder Partei möchte mittels Provokation die andere dazu animieren, sich zu bewegen.

Hat sich diese Kultur der Provokation in den letzten Jahren verändert?
Sehr deutlich sogar. Gewissermaßen ist die Kultur der politischen Provokation erodiert, weil die Provokation an vielen Stellen der Wut und dem Populismus gewichen ist. Seit 14 Jahren führen wir am Bielefelder Institut für Gewalt- und Konfliktforschung große, repräsentative Umfragen zu gesellschaftlichen Konflikten durch. Dabei interessiert uns, ob und inwieweit auch Vorurteile und antidemokratische Meinungen in Provokationen einsickern. Uns interessiert, wer in der Gesellschaft abgewertet und ausgegrenzt wird, wie und warum solch menschenfeindliche Mechanismen entstehen. Das berührt auch den Zustand der Demokratie. In den Mitte-Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung haben wir dann 2011 danach gefragt, wie rechtsextreme Strömungen in der Mitte der Gesellschaft verhaftet sind und ob das ein Beleg dafür ist, dass die Gesellschaft insgesamt antidemokratischer wird. Unsere Ergebnisse decken sich mit dem Empfinden, dass sich bestimmte politische Milieus erst polarisiert, dann radikalisiert haben. Die üblichen Provokationen weichen rechtspopulistischer und -extremer Agitation.

Durch rechtspopulistische Milieus?
Vor allem dort hat sich die Kultur der Provokation in eine des Widerstands verwandelt. Menschen, die rechtspopulistisch unterwegs sind, Kritik an den Eliten äußern und gegen alles Fremde argumentieren glauben, dass ihr Protest notwendige Provokation ist, um das System zu verändern. Die Provokation hat sich radikalisiert und verbunden mit einer Idee des Widerstandes gegen die Eliten, die das Volk angeblich nicht repräsentieren. Das wäre nicht neu, aber sie hängt zunehmend von Abgrenzungen vermeintlicher Fremder ab…

Das Interview ist erschienen im trailer-Magazin 01/18 und auf:
www.trailer-ruhr.de

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Projekt „Kultur@Gefängnis“ zeigt die Dokumentation „Fighter“ in der JVA Werl

Die Zuschauer stehen in kleinen Gruppen zusammen, unterhalten sich angeregt über das, was sie gerade gesehen haben. Es könnte der übliche Ausklang eines Kinoabends sein. Erst als ein JVA-Beamter die Gespräche  unterbricht wird klar, dass es sich hier um keine übliche Filmvorführung handelt. „Wir müssen jetzt zum Ende kommen“, sagt er bestimmt und zückt demonstrativ seinen Schlüsselbund.Das Projekt „Kultur@Gefängnis“ ist Teil der Dortmunder Plattform „Labsa“, bei der sich  internationale KünstlerInnen treffen. Projektleiterin Betty Schiel organisiert neben Filmabenden auch Workshops und andere Kulturveranstaltungen in Gefängnissen der Region. Für den Abend in der JVA Werl, eine Kooperation mit dem Kinofest Lünen, hat sie vorab mit der Insassenvertretung die Dokumentation „Fighter“ von Susanne Binninger ausgewählt.

Drei der Protagonisten des Films, Andreas Kraniotakes, Khalid und Mohammed Taha, sind ebenfalls vor Ort. Ihnen, Mike Wiedemann als Vertreter der Kinofests und der Presse wird hier kein roter Teppich ausgerollt. Mobiltelefone müssen im Auto bleiben, alles andere kommt in Schließfächer, die Kamerataschen dürfen gerade noch mit herein. Metalldetektor, Abtasten, dann wird der Tross Meter für Meter durch die Gänge der JVA geleitet. Massive Türen werden aufgeschlossen und hinter uns wieder verriegelt. Es geht vorbei an Zellen, in drei Stockwerken übereinander angeordnet, wie man es aus amerikanischen Gefängnisfilmen kennt.

Der älteste Raum der 1908 in Betrieb genommenen Haftanstalt, die Kapelle, dient als provisorisches Kino und ist mit ihren kunstvollen Holzsteelen, Kirchenfenstern und Marienbildern an der Wand ein Kontrast zu Mauern und funktionaler Architektur. Erst nach und nach kommen die rund 120 Insassen in den Saal, die sich für die Veranstaltung angemeldet haben. Ein paar Gedanken und Vorurteile schleichen mir durch den Kopf. Ich bleibe an einigen Gesichtern hängen, schaue mich misstrauischer um als die JVA-Beamten, die am Rand stehen. Sicherer als hier dürfte es in diesem Moment nirgendwo sein, das ungute Gefühl bleibt trotzdem.

„Fighter“ begleitet Kämpfer der deutschen Mixed Martial Arts-Szene (MMA) durch ihren Alltag. Die Regisseurin hat die Protagonisten mehrere Monate begleitet, Vertrauen aufgebaut. Wenn Lom-Ali Eskijew vor dem Wiegetag schmerzlich auf Süßigkeiten verzichtet und hungernd hofft, die letzten Kilos zu verlieren, ist sie ebenso nah dran wie bei Training und Wettkämpfen, wie bei Siegen und Niederlagen….

….weiter geht es hier: Der vollständige Text ist auf www.trailer-ruhr.de erschienen.