Thementext epd film: Summer in the City

Ferien, Wasser, like ice in the sunshine – die eine Seite des Sommers. Die andere hatte schon vor der Klimakrise eine­ große Tradition im Hollywoodkino. Hitze in urbanen Zentren wirkt als Ka­talysator der ­Handlung, ist Metapher für ­gesellschaftliche Spannungen und ein beliebter ­Vorwand, mehr oder minder nackte Frauen zu zeigen.

Ende Juni 2025, die erste Hitzewelle des Sommers rollt über Deutschland. Ein Balkon mitten in einer Großstadt im Ruhrgebiet, Südseite, 20:30 Uhr. Das Thermometer zeigt selbst in der Abendsonne noch 38 Grad. Ich lasse meinen Blick durch den Innenhof schweifen und muss an Alfred Hitchcock denken . . .

»Rear Window« natürlich, »Das Fenster zum Hof« von 1954. Hitchcock eröffnet seinen Film, indem er das Publikum die Perspektive aus einem Fenster in einen New Yorker Innenhof einnehmen lässt. Es ist zugleich der Blick des Protagonisten, des seit sechs Wochen durch ein gebrochenes Bein zur Untätigkeit verdammten Fotografen L. B. »Jeff« Jefferies (James Stewart). Per Schwenk erkundet die Kamera die Umgebung und zeigt uns nicht nur, was Jeff von seiner Position aus beobachten kann, sondern auch alles, was der Sommer in der Stadt so an Malaise mit sich bringt: Das Leben spielt sich notgedrungen auf Balkonen oder hinter weit geöffneten Fenstern ab. Privatsphäre? Fehlanzeige. Ein Paar verlegt sogar sein Schlafzimmer in der Hoffnung auf nächtliche Abkühlung auf den Balkon. Die meisten sind nur spärlich bekleidet, alle schwitzen, die Reizbarkeit ist insgesamt erhöht – sowohl gegenüber den Liebsten, denen man kaum entkommt, als auch gegenüber den Nachbarn, deren Leben unangenehm nah in die eigene Intimsphäre einzudringen scheinen. 

Der Sommer im Film – er kann wunderbar sein. Wenn er endlos scheint und die unbeschwerten letzten Wochen vor dem Erwachsenwerden beschreibt. Wenn er am Strand, in einem Landhaus oder Freibad erlebt wird oder im Zeichen einer flirrenden Romanze steht. Um diese Art von Sommer geht es hier nicht. Denn »Summertime and the living is easy« gilt eben nicht für alle Gefilde, besonders nicht für die urbanen Moloche, konstruiert aus unerbittlichem Beton und Stahl. Hier geht es um Filme, die in Großstädten spielen und deren Bewohner*innen – anders als auf dem Wüstenplaneten Dune, in der postapokalyptischen Einöde von »Mad Max« oder in Filmen aus tropischen Kulturkreisen – nicht an diese Temperaturen gewöhnt sind. Es geht um Filme, die das Blut zum Kochen, den Asphalt zum Simmern und die Menschen zum Durchdrehen bringen. Hitze verstärkt die Konflikte des Großstadtdschungels. Sie ist das Brennglas, das ein sadistischer Gott auf die Menschheit richtet, wie ein grausames Kind auf einen Haufen Ameisen….

Der Text ist in der Printausgabe von epd Film (08/2025) erschienen und online hier abrufbar.

Porträt Alice Gruia in der Freitag

Alice Gruias Serie „Lu von Loser“ mit der Regisseurin selbst in der Titelrolle überzeugt auch in der zweiten Staffel – die Zuschauer:innen erwartet schwarzer Humor und ein ehrlicher Blick auf das Leben einer Alleinerziehenden

Als Alice Gruia nach der Premiere der zweiten Staffel ihrer „Sadcom“ Lu von Loser im Rahmen des Kölner Seriencamps im Juni die Bühne betritt, ist ihr die Erleichterung sichtlich anzumerken. Sie holt ihr Team nach vorne, dankt jedem und jeder Einzelnen und badet im Applaus. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer unerwarteten Erfolgsgeschichte.

Schon die erste Staffel rund um die ungeplant schwangere Musikerin Lu, die wieder bei ihrer Mutter in Köln einziehen muss, nachdem sie sich mit ihrer Band zerstritten hat, war eine Überraschung, auch für Lus Schöpferin Gruia selbst. 1983 geboren und in Bonn aufgewachsen, absolvierte sie eine….

Der Text ist erschienen in der Freitag 30/23 und online abrufbar unter freitag.de

Filmkritik zu „Barbie“ in epd film

Die erste Realverfilmung der weltberühmten und polarisierenden Puppe überrascht mit originellen Ideen, verzettelt sich aber in zu vielen Handlungssträngen

Seitdem Barbie am 9. März 1959 das Licht der Weltöffentlichkeit erblickte, sorgt sie für Kontroversen. Für die einen symbolisiert sie alles, was Frauen unterdrückt. Von unrealistischen Körperidealen bis hin zu stereotypen Rollenklischees. Für andere ist Barbie ein feministisches Vorbild, das schon in den 1960er Jahren als Ärztin, Wissenschaftlerin, Astronautin oder Präsidentschaftskandidatin in männlich dominierte Sphären vordrang.

Die Marke Barbie jedenfalls ist weit über die Grenzen der USA hinaus bekannt. Die erste Realverfilmung war somit nur eine Frage der Zeit. Zwischenzeitlich war Amy Schumer, dann Anne Hathaway für die Titelrolle unter der Regie von Patty Jenkins im Gespräch, bis Greta Gerwig gemeinsam mit Noah Baumbach zunächst für das Drehbuch, dann als Regisseurin verpflichtet wurde. Spätestens als erste Setfotos mit Margot Robbie und Ryan Gosling in schrillen Neonklamotten auf Inlinern kursierten, begannen sich viele dafür zu interessieren, was die für ihre feministische Haltung bekannte Gerwig aus dem Stoff wohl machen wird.

In Plastik gegossene Misogynie oder Ikone weiblicher Selbstbestimmung? Schon das Intro bricht mit jeder Erwartungshaltung und inszeniert Barbies Genese als Reminiszenz an Kubricks…

Der Text ist erschienen in epd film 8/23 und online abrufbar unter epd-film.de

Aus sicherer Entfernung

Einleitung zur Essayreihe „Distanzmontage“ im Auftrag der Duisburger Filmwoche 2023

Kollektives Filmerleben wird in Duisburg seit fast 50 Jahren durch anschließende Gespräche in den öffentlichen Raum des Diskussionssaals verlängert, die dort ausgetauschten Seherfahrungen und Gespräche in den Protokollen festgehalten. Die gezeigten Filme wirken so in mehrfacher Hinsicht nach. Seit 2020 ist das Protokoll-Archiv virtuell zugänglich und um einen Blog mit weiteren Texten zum Dokumentarfilm ergänzt worden. Für die aktuelle Textreihe haben wir 2023 Journalistinnen, Wissenschaftlerinnen, Filmemacher und -vermittlerinnen eingeladen, dort in der Festivalhistorie nach verbindenden Elementen zu suchen: Zwischen den in Duisburg gezeigten Filmen und den in ihnen und im Anschluss an sie verhandelten Diskursen. Ihre Ausgangspunkte sind – neben den Filmen der 46. Duisburger Filmwoche 2022 – ausführliche Recherchen in unserem Protokoll-Archiv. Ihre Texte erscheinen hier unter dem Titel Distanzmontage.

Der Begriff Distanzmontage geht auf den armenischen Dokumentarfilmregisseur Artavazd Peleschjan zurück. Ihre Besonderheit liegt darin, „daß eine Montageverbindung über Abstände hinweg nicht nur Einzelelemente als solche […] verknüpft, sondern auch […] ganze Elementkomplexe wobei es zu einer Wechselwirkung zwischen einem Prozeß mit einem anderen, ihm kontroversen Prozeß kommt. Dies nenne ich das Blockprinzip der Distanzmontage.“1 Peleschjan geht davon aus, so die Wahrnehmung für das filmische Erleben zu intensivieren. Mit jeder neu hinzukommenden Einstellung soll das zuvor Gesehene neu bewertet, definiert und reflektiert werden. Fast so, als würden wir einen Film mit jeder Szene erneut rekapitulieren und am Ende nochmals rückwärts lesen.

Um eine gedankliche Einkreisung, die im Rückblick bisher Unverbundenes zueinander in Bezug setzt, bemühen sich auch die hier versammelten Texte. Wie bei der Distanzmontage ergibt sich durch die rückwärtige Lektüre eine neue Sicht auf die Filme, aber auch auf Fragen und Diskurse, die darüber hinausweisen.

Michelle Koch denkt über Spannungs- und Machtverhältnisse innerhalb der Konstellation Protagonist:in – Regie – Publikum nach und fragt, wer hier eigentlich das Wort hat. Marion Biet beschreibt, wie sich das Verhältnis von Untertiteln mit und im Bild in den letzten Jahrzehnten verändert hat und streift ebenfalls Fragen der Übersetzung zwischen kulturellem Transfer und bewusster Auslassung. Petra Palmer widmet sich den sozialen Räumen, die Dokumentarfilme abbilden, (re)konstruieren und antizipieren – ästhetisch oder in utopischen Konzepten – und wie sich Menschen darin situieren oder diese subversiv unterlaufen. Ausgehend von der ersten gemeinsamen Konferenz mit unserem Partnerfestival doxs! dokumentarfilme für kinder und jugendliche überlegt Mirjam Baumert, wie Dokumentarfilmen und Kurator:innen ein intergenerationeller Dialog gelingen kann. Oliver Schwabe wendet sich Filmen zu, die das Fernsehen historisieren, untersucht die Mitwirkung des Mediums an meinungsbildenden Prozessen und schildert seine persönlichen Erfahrungen im Umgang mit TV-Archivmaterial. Fiona Berg schließlich betrachtet, wie Natur als Resonanzraum für die teils romantisierten Sehnsüchte der urbanisierten Gesellschaften inszeniert und vereinnahmt wird, statt sie in ihrem Wert an sich und in ihrer verletzlichen Vergänglichkeit filmisch zu respektieren und zu bewahren.

Die Texte selbst laden dazu ein, die Programmhistorie der Duisburger Filmwoche noch einmal zu rekapitulieren und dabei neue Standpunkte, Diskurse oder schlicht noch ungesehene Dokumentarfilme zu entdecken.

1 Zitiert nach: Norbert M. Schmitz: „Distanzmontage als modernes Kunstprinzip. Artavazd Peleschjans Theorie und Praxis der Montage“ in: montage AV 20/1/2011.

Die Texte der Essayreihe erscheinen sukzessive auf dem Blog der Duisburger Filmwoche und können hier online abgerufen werden.
Als verantwortliche Redakteurin habe ich gemeinsam mit den Verantwortlichen der Filmwoche Themen erarbeitet, Autor*innen gesucht und die Veröffentlichung der Texte betreut.

Filmkritik zu „Das Blau des Kaftans“ in epd film

Maryam Touzani kehrt in die marokkanische Medina zurück und inszeniert eine berührende Dreiecks­geschichte rund um die Liebe und das Sterben mit fabelhaftem Cast.

Behutsam streicht eine Hand den edlen Stoff glatt. Die Nadel sticht mit leichtem Druck hindurch, zieht den Faden straff. Millimeter um Millimeter entsteht ein goldenes Ornament auf blauem Grund in makelloser Handarbeit. So formvollendet wie das titelgebende Gewand ist auch der zweite Spielfilm von Maryam Touzani insgesamt. In der Medina von Salé betreibt Schneidermeister Halim (Saleh Bakri) mit seiner Frau Mina (Lubna Azabal) eine traditionelle Schneiderei. Halim entwirft und näht Gewänder für besondere Anlässe, Mina verwaltet den Laden und verklickert der nervigen Kundschaft, warum Handwerk eben seinen Preis hat und Zeit braucht. Zur Unterstützung nehmen sie den Lehrling Youssef (Ayoub Missioui) auf. So subtil, wie Youssef bald mit Halim begehrende Blicke tauscht, deutet sich parallel an, dass die starke Mina schwer krank ist. Statt eines vorhersehbaren Eifersuchtsdramas mit Halims Homosexualität als Motor der Handlung entspinnt sich von da an eine zärtlich erzählte Geschichte über Liebe, Partnerschaft und das Sterben. 

Vieles bleibt dabei unausgesprochen. Es braucht keine Worte, um zu vermitteln, dass Halim seine Homosexualität unterdrückt, aber trotzdem Sex mit Männern im Geheimen hat, wovon Mina seit Jahren weiß. Wie schlecht es ihr gesundheitlich geht, verheimlicht sie hingegen lange und lässt erst spät Halims Hilfe zu. All das transportiert sich in der fantastischen Bildgestaltung von Virginie Surdej, mit der Touzani bereits bei ihrem Spielfilmdebüt Adam zusammenarbeitete. Das beginnt schon mit der visuellen Würdigung des Handwerks. Die Kamera gleitet über leuchtende Stoffe, verweilt auf schimmerndem Samt, ruht geduldig auf Händen, die geschickt filigrane Arbeit verrichten. Surdejs Einstellungen haben eine haptische Qualität, schwelgen in Sinnlichkeit. Wir spüren die trockene Hitze in den engen Gassen der Altstadt. Atmen den Duft, der aus einer Tajine aufsteigt. Wir spüren die schwere Feuchtigkeit eines Hammam. Beißen mit Mina in eine saftige Mandarine. Eingefangen in einer Beiläufigkeit…

Der Text ist erschienen in epd film 3/23 und online abrufbar unter epd-film.de

Schnitt-Symposium der Kölner Dokumentarfilminitivative in Film&TV Kamera

Die Kölner Dokumentarfilminitivative (dfi) veranstaltete am 19. und 20. Januar im ausgebuchten Filmhaus ein dicht programmiertes Symposium zum Thema „Konstellationen dokumentarischer Montage und Dramaturgie“.

Wer zehn filmische Einstellungen in der Montage miteinander verknüpfen will, hat dafür 3.628.800 unterschiedliche Möglichkeiten. Das verrät die Kombinatorik. Allein diese schiere Zahl, die Filmemacherin und Editorin Gabriele Voss in ihrem Vortrag „Erzählstrategien – Montageformen“ aufgriff, verursachte Schwindel. Eine ähnliche Wirkung hinterließ auch das Symposium insgesamt. Das lag nicht nur an der sehr dichten Taktung. Auch das inhaltlich und thematisch herausfordernde Konzept, das Philip Widmann im Auftrag der dfi kuratierte, hatte es in sich.

Expert*innen verschiedener Gewerke, aus Filmtheorie und -praxis waren nach Köln eingeladen, um zwei Tage lang anhand von Werkstattgesprächen, Vorträgen, gemeinsamen Sichtungen und Diskussionen über das Verhältnis von Dramaturgie und Montage miteinander ins Gespräch zu kommen. Die ausgewählten Dokumentarfilme lieferten dafür die Grundlage. Sichtungen und Filmgespräche zu „Regeln am Band bei hoher Geschwindigkeit“ (mit Regisseurin Yulia Lokshina und Editorin Urta Alfs), „Unas Preguntas“ von Kristina Konrad, die anhand von Ausschnitten mit ihrem Editor René Frölke über die langjährige Genese des vierstündigen Dokumentarfilms aufzeigte und ein Double Feature von Marian Maylands aktuellen Filmen „Me and Michael Ironside“ und „Lamarck“ standen auf dem Programm. Allerdings wurden hier Inhalt und Kontext der Filme intensiver diskutiert als der titelgebende, rote Faden verfolgt.

Eng am Material wurde dafür der 67-minütige Dokumentarfilm „Purple Sea“ besprochen. Er basiert auf Originalaufnahmen, die Regisseurin Amel Alzakout bei ihrer Flucht aus Syrien über das Mittelmeer 2015 filmte, indem sie sich eine wasserdichte Kamera ans Handgelenk band. Ihr Boot sank vier Kilometer vor der Küste von Lesbos. Stundenlang wartete sie mit hunderten anderer Menschen im Wasser auf Rettung, nicht alle überlebten. Die See ist dabei ständig in Bewegung, die Kamera auch und wir mit ihr. Es gibt keinen Halt, keine Orientierung. Sind wir unter oder über dem Wasser? Gemurmel, Schreie, dann wieder Stille und das Schnappen nach Luft. Darüber der Off-Kommentar einer unzuverlässigen Erzählerin, die verschiedene – einander teilweise widersprechende – Varianten einer Geschichte nach dem Unglück erzählt. Die chaotischen Bilder…

Der vollständige Text ist erschienen in Film & TV Kamera 3/23, S. 64-65.

„Der vermessene Mensch“ – Kritik in der Freitag

Lars Kraume beleuchtet eines der grausamsten Kapitel deutscher Kolonialgeschichte: den Völkermord an den Herero und Nama. Das Dilemma, Verbrechen zu zeigen und sie dabei zu reproduzieren, löst der Film nicht

„Wir verlangen unseren Platz an der Sonne“, forderte Staatssekretär Bernhard von Bülow 1897 in seiner Rede im Auswärtigen Amt im Kontext deutscher Kolonialpolitik. Die begann offiziell schon 1884 mit dem „Erwerb“ Deutsch-Südwestafrikas (heutiges Namibia). Auch wenn die deutsche Kolonialgeschichte im Vergleich zu der anderer Imperialmächte mit der erzwungenen Abtretung der „Schutzgebiete“ 1915 früh endete, ist sie nichtsdestotrotz reich an Gewalt, Missbrauch und Massakern – und doch in der heutigen Öffentlichkeit wenig präsent.

Unter dem Arbeitstitel Ein Platz an der Sonne firmierte auch der neue Historienfilm von Regisseur Lars Kraume, der jetzt als Der vermessene Mensch in den Kinos startet. Erzählt wird die Geschichte aus Sicht des fiktiven Alexander Hoffmann (Leonard Scheicher), der Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin im Fach Ethnologie promoviert. Die Physiognomik als Methode der „Rassentheorie“ ist da gerade en vogue. Schädel werden vermessen und Gehirngrößen verglichen, um die vermeintliche Überlegenheit des weißen „Herrenvolkes“ datenbasiert zu belegen. Was heute als pseudowissenschaftliche Grundlage von Rassismus gilt, war damals State of the Art in der Wissenschaft.

Der junge Doktorand aber zweifelt die daraus gefolgerte Minderwertigkeit aller nicht-weißen Menschen an. Erst recht, nachdem er bei der Deutschen Kolonialausstellung 1894 eine Delegation der Herero und Nama in Berlin trifft. Besonders die Begegnung mit der eloquenten und intelligenten Kezia Kunouje Kambazembi (Girley Charlene Jazama), die als Dolmetscherin mitgereist ist, bestätigt ihn. Rund zehn Jahre später zieht es Hoffmann selbst nach Deutsch-Südwestafrika. Im Schutz der kaiserlichen Truppen, mit dem Vorsatz, die Bevölkerung vor Ort zu erforschen, seine Theorie zu beweisen, und dem heimlichen Wunsch, Kenouje wiederzusehen, erlebt er die Niederschlagung der Aufstände von Herero und Nama mit. Anfangs noch schockiert…

Der Text ist erschienen in der Freitag 12, 23.03.2023 (Print) und Online abrufbar hier.

„Iran: Alles muss sich ändern“ in epd film

Iranische Schauspielerinnen und der Aufstand

Seit der Ermordung von Mahsa Amini fordern Frauen im Iran unter dem Slogan »Frauen, Leben, Freiheit« nicht nur das Ende der Hijab-Pflicht, sondern einen Systemwechsel. Unter ihnen sind auch viele Filmschaffende, einige wurden längst vom Regime außer Landes getrieben. Maxi Braun porträtiert zwei Schauspielerinnen, die im Exil leben: Golshifteh Farahani, bekannt aus »Elly« und »Paterson«, und Zar Amir Ebrahimi, die jetzt mit »Holy Spider« bei uns ins Kino kommt.

Die Schauspielerin und Regisseurin Maryam Zaree kam im berüchtigten iranischen Gefängnis Evin zur Welt. Für ihren autobiografischen Dokumentarfilm »Born in Evin« (2019) suchte sie Menschen, die wie sie dort geboren oder als Kinder von Oppositionellen inhaftiert waren. Im Verlauf der filmischen Spurensuche trifft Zaree Nina, die ebenfalls als Kind in Evin war. Sie erzählt von einem wiederkehrenden Alptraum, der sie als Jugendliche heimsuchte: Es geht darin um ein schreiendes Baby, das von einem Mann gehalten wird. Ihm gegenüber steht eine Frau, blutüberströmt, verletzt. Sie wird gefoltert, weint und schreit vor Schmerzen. Als Nina diesen Traum ihrer Mutter schilderte, habe die nur erwidert: »Wer hat dir davon erzählt?« Der Traum von Zarees Leidensgenossin war kein Traum, sondern eine frühkindliche Erinnerung. Eine von unzähligen, die eindrücklich vermittelt, was Menschen von Beginn an unter dem Regime Ayatollah Khomeinis angetan wurde und bis heute angetan wird. Evin ist eine Chiffre für die Unterdrückung politischer Gegner*innen, für Folter und Mord, die abschrecken sollen.

Aber seit Mahsa Amini am 16. September 2022 in einem Teheraner Krankenhaus starb – wahrscheinlich an Verletzungen, die ihr die sogenannte Sittenpolizei bei der Verhaftung aufgrund eines nicht ordnungsgemäß sitzenden Hijabs zugefügt hatte – gehen mutige Iraner*innen auf die Straße und riskieren ihr Leben. Bis zum 5. Dezember 2022 ging die NGO Iran Human Rights von 448 vom Regime Ermordeten aus. Die Dunkelziffer und die Zahl der Inhaftierten, beispielsweise in Evin, dürfte deutlich höher liegen. 

Welche Rolle spielt da schon das Kino? Eine wichtige, denn Bekanntheit erzeugt Öffentlichkeit. Exil-Iraner*innen und Menschen mit einem Bezug zum Land wünschen sich diese Sichtbarkeit. Das bekräftigte auch die deutsch-iranische Schauspielerin Jasmin Tabatabai Ende November in einem Interview…

Der vollständige Text ist erschienen in epd Film 1/23 und online abrufbar unter epd-film.de.

Reizüberflutung mit Konzept – choices

Symposium der Dokumentarfilminitiative in Köln 2023

Die See ist in Bewegung. Die Kamera auch. Findet keine Ruhe, treibt hin und her und wir mit ihr. Alles ist instabil, es gibt keinen Halt hier im offenen Meer, mitten zwischen all den anderen Menschen. Eine Bluse mit Schmetterlingen, der Gürtel eines Mantels, schwebende Beine, Artefakte. Sind wir unter oder über dem Wasser? Wir verlieren die Orientierung, hören Gemurmel, Schreie, dann wieder Stille und das Schnappen nach Luft. Darüber legt sich ein Off-Kommentar. Er verknüpft die Bilder, die wir aus der sicheren Distanz des Kinosessels sehen, mit denen, die in unserer Vorstellung entstehen und denen wir uns nicht entziehen können….

Der vollständige Text ist erschienen auf choices.de und online abrufbar.

Bin ich verhaftet? (Rezension „Gott existiert, ihr Name ist Petrunya“)

Eine toughe Heldin kämpft gegen die Dreifaltigkeit des Patriarchats aus Kirche, Staat und Gesellschaft.

Petrunya ist Anfang 30, arbeitslose Historikerin und wohnt bei ihren Eltern. Nach einem miesen Vorstellungsgespräch gerät sie in ein orthodoxes Ritual, bei dem die Männer des Dorfes alljährlich am Dreikönigstag in einen eiskalten Fluss springen. Sie wollen ein Glück verheißendes Holzkreuz ergattern, das der Priester zuvor hinein geschmissen hat. Petrunya wirft sich einem Impuls folgend ebenfalls in die Fluten, schnappt das Kreuz und flieht damit klatschnass vor Priester und perplexer Meute. Zuhause angekommen, wird sie von ihrer streng gläubigen Mutter verpfiffen, die Polizei nimmt sie mit, um auf dem hiesigen Polizeirevier den vermeintlichen Skandal zu klären….

Der Text ist erschienen in Print: Missy Magazine 06/19 und online unter: www.missy-magazine.de