Star Wars zum 40. Geburtstag

STAR WARS (1977):
Der Film, der Mythos, das Mysterium in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Es war einmal vor nach kosmischen Maßstäben gar nicht allzu langer Zeit, in dieser Galaxis, um genau zu sein in San Anselmo auf dem Planeten Erde, als der junge George Lucas einigen Auserwählten eine erste Rohfassung von STAR WARS zeigte. Mangels fertiger Special Effects hatte Lucas ersatzweise Schwarz-Weiß-Material von Luftkämpfen aus dem Zweiten Weltkrieg statt Actionszenen dazwischenmontiert.

Fast alle Anwesenden fanden den Rohschnitt miserabel. Nur Steven Spielberg soll, glaubt man der Legende, nach längerem Schweigen gesagt haben «I like it, George».  Zu Recht, wie uns die Geschichte der letzten 40 Jahre gelehrt hat. Kaum drei Monate nach dem offiziellen Kinostart von STAR WARS am 25. Mai 1977 hatte die Weltraumoper bereits über 100 Millionen Dollar eingespielt, bis Ende des Jahres waren es mehr als 195 Millionen Dollar an der Kasse. Die ZuschauerInnen standen Schlange, manchmal mehrere Blocks weit, der moderne Blockbuster war geboren. Ein Jahr nach dem ersten Kinorelease tobten Lucas Sternenkriege noch immer über die Leinwände. Die Vollendung der ersten Trilogie war da schon beschlossene Sache.

Alles begann aber schon in den frühen 1970er Jahren. Die Autorenfilmer des New Hollywood, darunter z.B. Peter Bogdanovich, Francis Ford Coppola, Robert Altman oder eben Spielberg, wagten mutige Experimente mit Genrefilmen. Als Lucas 1972 das erste Treatment zu STAR WARS verfasste, hatte er mit THX 1138 schon einen ästhetisch durchkomponierten, kühl-dystopischen Science Fiction-Film gedreht. Inspiriert von Serien wie FLASH GORDON oder BUCK ROGERS, sollte dieses Projekt ein märchenhafter Trip in fantastische Welten werden, bei der das Gute gegen das Böse kämpft.

Der erste Satz des wenig mehr als zehn Seiten umfassenden Entwurfs begann mit den Worten: «This is the story of Mace Windu, a revered Jedi Bendu of Ophuchi who was related to Usby C.J. Thape, Padawaan learner of the famed Jedi».
Was wie der Beginn des Alten Testatments oder Tolkiens „Silmarillion“ klingt, war den Entscheidern von Universal und United Artists wohl zu kryptisch. Erst 20th Century Fox bewilligte Lucas 1974 eine Finanzspritze zur Entwicklung eines Drehbuchs. Der Erfolg von „American Graffiti“ (1973) dürfte dabei entscheidender gewesen sein als das noch sehr vage und stark von der Endfassung des Drehbuchs abweichende Treatment. Bis zur finalen, vierten Drehbuchfassung wurde aus Luke Starkiller Skywalker und Lucas schuf sich mit der Gründung seiner eigenen Special Effects-Schmiede ILM (Industrial Light & Magic) 1975 auch die technischen Rahmenbedingungen für sein Projekt. Der Dreh startete im März 1976 in Tunesien. Auch wenn bei den Fortsetzungen THE EMPIRE STRIKES BACK – EPISODE V (1980) Irvin Kershner bzw. bei RETURN OF THE JEDI – EPISODE VI (1983) Richard Marquand Regie führte, stand STAR WARS von Anfang an unter der Kontrolle von George Lucas.

Anfang 1997 kam die Originaltrilogie erneut in die Kinos und spielte nochmal knapp 140 Millionen Dollar ein. Ein guter Lackmustest für das ungebrochene Interesse an der Saga, denn Lucas bereitete da längst den Dreh zu Episode I – THE PHANTOM MENACE (1999) vor. Die Episoden I-III sollten als Prequel die Vorgeschichte der Originaltrilogie erzählen. Die Idee einer insgesamt neunteiligen Serie kam Lucas recht früh, wurde aber erst nach dem Erfolg von STAR WARS 1977 realisitisch. Der zweite gedrehte Film, THE EMPIRE STRIKES BACK von 1980, erhielt daher den Zusatz EPISODE V.

Anders als in Episode IV-VI führte Lucas bei Episode I-III selbst Regie und setzte mit Natalie Portman als Padmé Amidala, Ewan McGregor als junger Obi-Wan Kenobi oder Liam Neeson als Qui-Gon Jinn auf bekannte Gesichter. Hinzu kamen zahlreiche Nebenfiguren (darunter der bei den Fans vernichtend durchgefallene Gungan Jar Jar Binks), exotische Settings und bombastische Effektschlachten. Viele Hardcore-Fans empfanden die Prequel-Trilogie als Sakrileg, die Kritik war eher verhalten. Ins Kino lockte die Geschichte vom Niedergang der Jedi, der Republik und die Metamorphose Anakin Skywalkers zum archetypischen Bösewicht Darth Vader erneut Millionen.

Was macht die «Erzählmaschine» STAR WARS, wie Filmkritiker und Autor Georg Seeßlen die Saga einmal bezeichnete, so erfolgreich? Das politische Klima der extradiegetischen Welt war in den 1970ern denkbar ungünstig. 1974 musste Präsident Nixon im Zuge der Watergate-Affäre abdanken. Das Vertrauen des Volkes in die eigene Regierung verbesserte das nicht. 1975 endete der Vietnamkrieg nach 20 Jahren als Trauma einer ganzen Generation, die Bedrohung des Kalten Kriegs bestand dennoch fort. Keine idealen Voraussetzungen für einen Krieg im Kino, möge er auch in einer weit, weit entfernten Galaxis spielen. Und warum in Phantasiewelten flüchten, wo es doch in der eigenen Geschichte soviel aufzuarbeiten gab?

Auch innerhalb der Diegese sind die Erfolgszutaten nicht offensichtlich. Die Story von STAR WARS ist – hat man sich an Namen wie Leia Organa und Han Solo oder Orte wie Mos Eisley und Tatooine gewöhnt – im Kern weder besonders kompliziert, noch raffiniert. Es geht um eine Rebellion gegen ein totalitäres Regime und den Kampf Gut gegen Böse. Auch pointierte Dialoge sind Mangelware. Harrison Ford soll beim Dreh zu STAR WARS entnervt gemault haben «George, Diese Scheiße kann man vielleicht in eine Maschine tippen, aber sprechen kann man sie auf gar keinen Fall». Schauspielerische Glanzleistungen erklären den unfassbaren Erfolg ebenso wenig wie die oft gescholltene Schneckenfrisur Leias. Filmsprachlich ist STAR WARS außerdem nicht besonders experimentell, allenfalls die von John Williams komponierte Musik mit der charakteristischen Fanfare zu Beginn jedes Films und die Spezialeffekte, die bei beiden Trilogien auf der Höhe der Zeit waren, sind auf der Produktionsebene bemerkenswert.

Die Faszination von STAR WARS liegt darin, dass die Saga eine Projektionsfläche für mannigfaltige Lesarten bietet und daher niemanden unberührt lässt. Die elementare Formel «Gut gegen Böse» wird angereichert mit allerlei Versatzstücken aus verschiedensten Kulturen, Märchen, Religionen, Mythologien. Lucas soll sich bei der Entwicklung an Joseph Campbells The Hero with a Thousand Faces von 1949 orientiert haben. Dessen Grundaussage besteht laut Georg Seeßlen darin, dass sich die seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte tradierten Mythen auf 32 plots herunterbrechen lassen.

Auch das gesamte Star Wars-Universum ist ein Füllhorn des Synkretismus. Die unbefleckte Empfängnis von Anakin in EPISODE I ist nicht erst im Christentum erfunden worden und auch seine Auferstehung als Darth Vader – wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen – ist ein Erzählelement vieler Religionen und heidnischer Rituale. Lucas bedient sich überall, bei der Populärkultur seiner Jugend, bei Akira Kurosawa sowieso. Hinzu kommen Versatzstücke von der griechischen Antike über das Mittelalter bis zur Gegenwart (Imperium, Republik, Monarchie, Steuerstreik und Handelsembargos), angereichert mit Märchenstoff (Es war einmal…), psychoanalytischen Konstellationen, exotischen Orten, fremden Kreaturen, humanoiden Robotern, allesamt transportiert in die phantastisch-futuristische Welt einer weit, weit entfernten Galaxis.

Der ökonomische Erfolg hingegen ist weniger symbolisch aufgeladen, sondern Produkt der Weitsicht George Lucas‘. Drehbuch, Regie und Schnitt lagen von Anfang in seiner Hand, durch die Gründung von ILM hatte er auch die Kontrolle über die Spezialeffekte und spätestens nach dem Erfolg von EPISODE IV war er finanziell völlig autonom von Studios oder anderen externen Geldgebern. Als noch keiner an STAR WARS glaubte, verzichtete er außerdem auf seine Gage und bestand dafür auf die Rechte an den Fortsetzungen und dem Merchandising.

Der Mythos ist auch nach der Abnabelung von seinem Schöpfer quicklebendig. Lucas verwarf schon in den 1990ern die Idee von insgesamt neun Teilen und verkaufte 2012 seine Produktionsfirma Lucasfilms und die Rechte am Star Wars-Imperium an die Walt Disney Company, die im Dezember 2016 den ersten Teil einer Sequel-Trilogie in die Kinos brachte. Aller Vorbehalte dem konservativen Disney-Konzern zum Trotz, rückte THE FORCE AWAKENS von den hochglanzpolierten Bildern der Episoden I-III ab. Der Weltraum darf wieder dreckig sein. Wenn auch die meisten Figuren schablonenartig bleiben, ist mit Rey wieder eine starke Frauenfigur installiert, die in der amazonischen Tradition von Leia und nicht in der passiven Amidalas steht.

Die Saga geht nicht nur bis mindestens 2019 im Kino weiter. Außerdem existieren unzählbare Adaptionen und eigenständige Handlungsstränge in Comics, Romanen, Animationsserien, Videospielen. Das bedrohliche Laserschwert-Summen, unzählige Variationen des Zitats «Ich bin Dein Vater!» und Yodas eigenwilliger Satzbau haben sich weltweit in das kollektive Bewusstsein der Menschen gebrannt. Die Selbstverständlichkeit, mit der Formate wie The Big Bang Theory STAR WARS wiederum in die eigene Diegese einpflegen, schreiben den Mythos weiter fort. Die Mythologie der Star Wars-Saga ist längst selbst zum Mythos geworden, der unsterblich scheint.

Der vollständige Text ist erschienen in: Busch, Werner /  Bothmann, Nils (Hrsg.): Schüren Filmkalender 2017, Schüren Verlag 2016. Zur Bestellung: www.schueren-verlag.de