Projekt „Kultur@Gefängnis“ zeigt die Dokumentation „Fighter“ in der JVA Werl

Die Zuschauer stehen in kleinen Gruppen zusammen, unterhalten sich angeregt über das, was sie gerade gesehen haben. Es könnte der übliche Ausklang eines Kinoabends sein. Erst als ein JVA-Beamter die Gespräche  unterbricht wird klar, dass es sich hier um keine übliche Filmvorführung handelt. „Wir müssen jetzt zum Ende kommen“, sagt er bestimmt und zückt demonstrativ seinen Schlüsselbund.Das Projekt „Kultur@Gefängnis“ ist Teil der Dortmunder Plattform „Labsa“, bei der sich  internationale KünstlerInnen treffen. Projektleiterin Betty Schiel organisiert neben Filmabenden auch Workshops und andere Kulturveranstaltungen in Gefängnissen der Region. Für den Abend in der JVA Werl, eine Kooperation mit dem Kinofest Lünen, hat sie vorab mit der Insassenvertretung die Dokumentation „Fighter“ von Susanne Binninger ausgewählt.

Drei der Protagonisten des Films, Andreas Kraniotakes, Khalid und Mohammed Taha, sind ebenfalls vor Ort. Ihnen, Mike Wiedemann als Vertreter der Kinofests und der Presse wird hier kein roter Teppich ausgerollt. Mobiltelefone müssen im Auto bleiben, alles andere kommt in Schließfächer, die Kamerataschen dürfen gerade noch mit herein. Metalldetektor, Abtasten, dann wird der Tross Meter für Meter durch die Gänge der JVA geleitet. Massive Türen werden aufgeschlossen und hinter uns wieder verriegelt. Es geht vorbei an Zellen, in drei Stockwerken übereinander angeordnet, wie man es aus amerikanischen Gefängnisfilmen kennt.

Der älteste Raum der 1908 in Betrieb genommenen Haftanstalt, die Kapelle, dient als provisorisches Kino und ist mit ihren kunstvollen Holzsteelen, Kirchenfenstern und Marienbildern an der Wand ein Kontrast zu Mauern und funktionaler Architektur. Erst nach und nach kommen die rund 120 Insassen in den Saal, die sich für die Veranstaltung angemeldet haben. Ein paar Gedanken und Vorurteile schleichen mir durch den Kopf. Ich bleibe an einigen Gesichtern hängen, schaue mich misstrauischer um als die JVA-Beamten, die am Rand stehen. Sicherer als hier dürfte es in diesem Moment nirgendwo sein, das ungute Gefühl bleibt trotzdem.

„Fighter“ begleitet Kämpfer der deutschen Mixed Martial Arts-Szene (MMA) durch ihren Alltag. Die Regisseurin hat die Protagonisten mehrere Monate begleitet, Vertrauen aufgebaut. Wenn Lom-Ali Eskijew vor dem Wiegetag schmerzlich auf Süßigkeiten verzichtet und hungernd hofft, die letzten Kilos zu verlieren, ist sie ebenso nah dran wie bei Training und Wettkämpfen, wie bei Siegen und Niederlagen….

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Harald Welzer bei der LiteraturBüro Ruhr-Reihe „Über Leben“ im Ringlokschuppen

Es ist kurz vor acht, als Harald Welzer eintrifft. Mit einer Abendbrotstulle im Mund quetscht er sich an den Menschen vorbei, die auf den Einlass warten. Als sich die Türen öffnen, drängen alle gleichzeitig in den Saal. Die Mitarbeiterinnen des Ringlokschuppens bitten höflich um die Karten und haben Mühe bei der Öffnung der zweiten Flügeltür. Sehr viele sind gekommen, um den Sozialpsychologen und Publizisten für eine offene Gesellschaft plädieren zu hören. Geduldig oder rücksichtsvoll sind sie selber nicht.

Gerd Herholz, Leiter des LiteraturBüro Ruhr, hält die Vorstellung des Gastes kurz und bündig. Welzer passt nicht nur aufgrund seines aktuellen Buches „Wir sind die Mehrheit. Für eine offene Gesellschaft“ gut in die LiteraturBüro Ruhr-Reihe „Über leben! Von der Hoffnung auf Zukunft“, die der Anlass der Lesung ist. Er ist außerdem Mitbegründer der Plattform „Initiative offene Gesellschaft“ und der politischen Zeitschrift „futurzwei“. Mit beiden kämpft er um das Überleben der Demokratie, die seiner Meinung nach in Gefahr ist.

Die Demokratie und unser Verständnis davon werden angegriffen, in einem Maße, wie wir es uns nach fast 70 Jahren Frieden nicht haben vorstellen können. Dafür braucht es keinen Putsch oder die „Rückkehr der Wahnsinnigen“, wie Welzer Erdogan oder Trump bezeichnet. Gesellschaftlicher Wandel vollzieht sich schleichend. Der Referenzrahmen, der uns bei der Wahrnehmung dieses Wandels als Orientierung dient, verschiebt sich. Diesen Vorgang beschreibt der ursprünglich aus der Umweltforschung stammende Begriff „shifting baselines“.

Welzer verdeutlicht dies anhand eines Beispiels: Kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wären Diskriminierung, Ausschluss, Enteignung, Deportation und Ermordung der deutschen Juden und Jüdinnen undenkbar gewesen. Bereits 1941 hatte sich das ganze System so verändert, dass diese Verbrechen nicht nur geduldet, sondern von einem Großteil der Bevölkerung auch als richtig erachtet wurden. Die Verhältnisse und deren Wahrnehmung hatten sich mit dramatischen Folgen geändert.

Als shifting baseline kann auch der Übergang von der „Willkommenskultur“ im Sommer 2015 hin zu der Stimmung im Januar 2016 charakterisiert werden. Die Ursachen dafür sieht Welzer nicht in einem großen Meinungsumschwung innerhalb der Bevölkerung, sie lägen in der politischen und medialen Kommunikation. „2015 war der feuchte Traum eines jeden Demokratieforschers: Eine Krise taucht auf, tausende Menschen übernehmen Verantwortung und helfen. Aber während die Ehrenamtlichen sich noch verausgaben, vermittelt ihnen die Politik, dass die Stimmung kippt“, fasst Welzer zusammen.

Beschwiegene statt schweigende Mehrheit

Seitdem ist die politische und publizistische Republik nicht mehr mit der Alltagsrealität der Bevölkerung identisch. Monatelang dominierte die „Flüchtlingskrise“ die Medien, selbst als kaum noch Geflüchtete nach Deutschland amen. VertreterInnen rechter Parteien saßen in jeder Talkshow, ihre Entgleisungen bestimmten die Nachrichten. Parallel orientierten sich die Parteien bis in den Landtags- und Bundestagswahlkampf 2017 hinein an rechten Themen, es ging ausschließlich um Migration und Sicherheit. Sozialer Wohnungsbau, soziale Gerechtigkeit, ökologische Probleme, wachsende Armut, Bildung, Arbeitsrecht etc. – Fehlanzeige. „Und was macht ein gewisser bayerischer Ministerpräsident? Bekämpft rechte Politik, in dem er sie imitiert. Das ist doch Wahnsinn.“….

Der Artikel erschien zuerst auf www.trailer-ruhr.de.

Einen Nachdruck findet ihr im Online-Magazin der Initiative „Die offene Gesellschaft“.

Emanzipiert auf’s Maul (Diskussion über Heldinnen im Film)

Seit der Fall des Produzenten Harvey Weinstein öffentlich wurde, ist sexualisierte Gewalt in Hollywood und andernorts wieder ein Thema. Oft wird dabei erwähnt, dass sich die kreative Gemeinschaft der Traumfabrik betont liberal gibt, was Frauenrechte betrifft aber noch in der Steinzeit lebe.

Aber sind die Filme und die darin verhandelten Geschlechterrollen progressiver als die Besetzungscouch? Film- und Medienwissenschaftlerin Véronique Sina von der Universität Tübingen und Alexander Nolte vom Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI) diskutieren im Filmstudio Glückauf diese Frage. Unter dem Titel „Weibliche Helden“, ein Teil der CineScience-Reihe „Helden im Film“, die das KWI in Zusammenarbeit mit dem Filmstudio veranstaltet, nehmen sie vier Szenen aus Kultfilmen von 1979 bis 2010 genauer unter die Lupe.

Warum 2017 noch über Feminismus im Film geredet werden muss, zeigt beispielsweise der Bechdel-Test. Mit ihm lässt sich oberflächlich aber simpel testen, inwieweit Frauen in Filmen stereotyp dargestellt werden. Drei Fragen werden an den Film gestellt: Gibt es mindestens zwei Frauenrollen? Sprechen diese Frauen miteinander und ist der Gegenstand dieses Gesprächs etwas anderes als ein Mann? Wer damit die alte „Star Wars“-Trilogie oder die „Harry Potter“-Reihe konfrontiert, gelangt zu dem Ergebnis: durchgefallen. Dabei liegt die Latte nicht eben hoch. Denn würden die Frauen wenigstens über Schminke, Diäten oder Kinder reden, wäre der Test schon bestanden.

Sina und Nolte haben für den Abend erfolgreiche, bekannte Filme mit einer starken Protagonistin ausgewählt. Zum Auftakt präsentieren sie zwei Filmausschnitte aus den ersten beiden Teilen der „Alien“-Saga, Ridley Scotts „Alien“ von 1979 und „Aliens“ von James Cameron (1986). Sigourney Weaver überlebt in beiden als unkaputtbare Ellen Ripley nicht nur alle männlichen Crewmitglieder, sondern rettet am Ende auch noch ein Kätzchen bzw. ein Kind….

Der Text ist Online als Beitrag der Reihe „Foyer“ im trailer-Magazin auf www.trailer-ruhr.de erschienen.  Hier geht’s zur Online-Fassung.

Interview mit Claudia Janssen zu feministischer Bibelforschung & Queer-Theologie

engels: Frau Janssen, Sie gelten als eine der führenden, feministischen Theologinnen. Bezeichnen Sie sich selbst als Feministin?
Claudia Janssen: Ja, das tue ich. In den letzten Jahren mit noch mehr Überzeugung. Für mich hat Feminismus einen politischen Charakter, es geht um Gerechtigkeit in einem ganz umfassenden, politischen Sinn mit dem Ziel einer Veränderung der Gesellschaft. Geschlechtergerechtigkeit ist dabei für mich ein zentrales Motiv.

Seit wann gibt es diese feministischen Strömungen schon in der evangelischen Kirche?
Feministische Strömungen haben innerhalb der Kirche eine lange Tradition, was viele Menschen erst einmal erstaunt. Sie kommen meistens aus der Bibel. In ihr sind viele progressive Aussagen enthalten, die auch für unsere heutige Gesellschaft von Bedeutung sind. Kämpfe um Gleichberechtigung gibt es da bereits, eine frühchristliche Frauenbewegung ist schon erkennbar.

Gibt es eine prägnante Bibelstelle, die die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Bibel illustriert?
Im Brief an die Gemeinde in Galatien (Gal. 3,28) geht es Paulus um das Selbstverständnis der Gemeinde und er greift deren Slogan auf. Es heißt dort „Da ist nicht jüdisch noch griechisch, da ist nicht versklavt noch frei, da ist nicht männlich noch weiblich: denn alle seid ihr einzig-einig im Messias Jesus“. Im Römischen Reich hat geherrscht, wer Mann, Römer und frei war, diese Kategorien haben die Gesellschaft strukturiert und hierarchisch geordnet. Der zitierte Slogan sagt aber, dass weder die ethnische Herkunft, noch der soziale Status oder das Geschlecht eine Rolle spielen.

Die Bibel an sich war also nicht frauenfeindlich?
Der Prozess, in dem die Bibel zusammengetragen wurde, umfasst fast tausend Jahre. Die Bibel ist so vielfältig wie die damalige Gesellschaft, mit ihr kann alles begründet werden. Das Neue Testament zeigt eine Widerstandsbewegung im Römischen Reich und hat viele alttestamentliche Traditionen genutzt, darunter auch die der starken Frauenfiguren, der Prophetinnen und Erzmütter. Im frühen Christentum haben Frauen eine wichtige Rolle gespielt. Vieles davon ist aber durch Übersetzungen verloren gegangen….

Das Interview ist in Print im engels-Magazin 11/17 als Teil des Monatsthemas FRAU LUTHER erschienen. Die ganze Online-Fassung lest ihr hier.

Leitartikel zum Thema KINDERSEELEN (trailer 10/17)

Kleine Tyrannen mit großen Gefühlen

Anfang 2008 entfachte der Bestseller „Warum unsere Kinder zu Tyrannen werden“ eine heftige Debatte. Der Autor Michael Winterhoff, ein Bonner Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, stellte ausgehend von seiner Praxiserfahrung folgende These auf: Die gegenwärtige Erziehung macht Kinder erst zu Partnern auf Augenhöhe, die notwendige, pädagogische Distanz geht verloren. Dadurch geraten die Kinder in ein symbiotisches Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Eltern und werden zu respektlosen, unselbstständigen und gesellschaftsuntauglichen Jugendlichen und Erwachsenen.

Anfang 2016 veröffentlichte die Wiener Psychologin Martina Leibovici-Mühlenbach mit „Wenn Tyrannen-Kinder erwachsen werden“ die inoffizielle Fortsetzung von Winterhoffs Buch. Die Huffington Post titelte Mitte 2016 salopper „7 Erziehungsfehler, die zu Arschlochkindern und Tyrannen führen“. Laufen wir wirklich Gefahr, dass künftige Generationen respekt- und vor allem empathielos wie kleine Hannibal Lecters durch die Pekip-Gruppen der Republik krabbeln?

Empathie ist eine Fähigkeit, die wie das Konzept der Theory of Mind angeboren ist. Während Theory of Mind oder auch „Alltagspsychologie“ dafür verantwortlich ist, dass Menschen kognitive Prozesse anderer Menschen nachvollziehen können, meint Empathie, sich einfühlen zu können in die Emotionen anderer. Beide Konzepte sind im biologischen Grundbauplan des Menschen angelegt ….

Der Artikel ist erschienen im trailer-Magazin 10/17 und auf www.trailer-ruhr.de.
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Interview mit Lamya Kaddor zum Thema „Muslim*innen, Demokratie & Zivilgesellschaft“

Würden Sie sich eher als religiöse oder politische Aktivistin bezeichnen?
Lamya Kaddor: Als religionspolitische Aktivistin wenn überhaupt. Mir geht es aber gar nicht um Religion, sondern um zivilgesellschaftliches Engagement. So ist auch der Liberal Islamische Bund (LIB) entstanden. Die ursprüngliche Idee war, eine Alternative zu den bereits existierenden, eher konservativen Dachverbänden zu gründen. Meinen Mitstreitern und mir war es wichtig, auch dem liberalen Islam eine Stimme zu geben. Und das geht in Deutschland eben am besten, indem man einen Verein gründet.

Welche Ziele verfolgt der LIB?
Es geht weniger um Ziele als um die Vermittlung bestimmter Prinzipien, die unserer Meinung nach den liberalen Islam ausmachen. Das betrifft zum Beispiel die Rolle der Frau, die noch viel gleichberechtigter sein müsste. Wir haben eine Imamin, die ein geschlechtergemischtes Gebet leitet, wir trauen interreligiöse Ehen, konzipieren und führen Präventionsprojekte durch, aktuell gegen Antisemitismus unter Jugendlichen. Wir wollen nicht in einem Elfenbeinturm sitzen, einen zeitgemäßen Islam postulieren und dessen theologische Ableitung erklären. Erst dadurch, dass wir das in die Praxis umsetzen, wird es authentisch.

Warum finden liberal-muslimische Positionen so wenig Gehör?
Das ist doch gar nicht so. Es wurde selten so viel berichtet wie vor dem Friedensmarsch im Juni. Der war übrigens nicht vom LIB organisiert, sondern von Friedensaktivist Tarek Mohamad und mir als Privatperson. Ich habe auch einige konservative Islamverbände mit ins Boot geholt. Die Demo war von Muslimen initiiert, das ist mir wichtig, aber sie war auch für alle Menschen offen. Der Terror bedroht uns alle, deswegen richtete sich der Demoaufruf auch an Muslime und Freunde. Ich mache das als überzeugte Deutsche, die den Rechtsstaat achtet und sich bewusst ein rechtsstaatliches Mittel gesucht hat, um einen Prozess ans Laufen zu bringen. Das ist für mich ein Beispiel zivilgesellschaftlichen Engagements….

Das vollständige Interview ist im trailer-Magazin 09/17 und auf www.trailer-ruhr.de erschienen.

Hier lesen Sie das vollständige Interview mit Lamya Kaddor.

Zivilgesellschaftliches Engagement von Muslim*innen

Gott will es

Juli 2017 im thüringischen Themar: 6.000 Neonazis feiern ungestört eine rechtsextreme Party und freuen sich, mit pfiffigen T-Shirt-Aufrucken wie „HKNKRZ“ den Rechtsstaat zu foppen. Ungestört? Fast. Außer 300 mutigen GegendemonstrantInnen ist da noch Nemi El-Hassan, Anfang 20, anhand ihres Kopftuchs deutlich als Muslima erkennbar. Sie ist unterwegs für das Format „Jäger & Sammler“ von funk, dem jungen Medienportal von ARD und ZDF. Vor laufender Kamera nimmt sie Veranstalter und Neonazi-Aktivist Tommy Frenck in seiner Kneipe in die Mangel. Inmitten von NS-Souvenirs konfrontiert Nemi, deren Eltern aus dem Libanon stammen und die selbst in Deutschland geboren ist, Frenck mit der Frage, ob sie für ihn eine Deutsche sei. Frenck antwortet: „Nein, Sie sind Libanesin. Man kann eine Staatsbürgerschaft haben, aber man ist, was man durch Geburt ist“. Verstanden? Ich auch nicht.

Hier soll es ohnehin nicht um krude, nationalistische Ideologien gehen, sondern um zivilgesellschaftliches Engagement von MuslimInnen in Deutschland. Sie engagieren sich unabhängig von ihrem Glauben ehrenamtlich in (Sport)Vereinen oder schließen sich gerade aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit liberalen Verbänden wie dem Muslimischen Forum Deutschland oder dem Liberal Islamischen Bund an, wo sie sich klar zu einer Islamauffassung positionieren, die gesellschaftliche Pluralität anerkennt. Andere treten bewusst öffentlich als MuslimInnen in Erscheinung, setzten sich aber für oder gegen etwas ein, was auch die sogenannte deutsche Mehrheitsgesellschaft betrifft und mit dem Islam nur indirekt (Terror) oder nichts (Rechtsextremismus) zu tun hat. Nemi El-Hassan ist dafür ein gutes Beispiel….

Der Artikel ist erschienen im trailer-Magazin 09/17 und auf www.trailer-ruhr.de.
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Transnationales Ensemble Labsa macht auf verschwundene, minderjährige Geflüchtete aufmerksam

Was bleibt, wenn ein Freund verschwindet? Das Transnationale Ensemble Labsa zeigt einen Kurzfilm über Merih, einer von über 8.000 minderjährigen, unbegleiteten Flüchtlingen, die in Deutschland als vermisst gelten.

Stellen Sie sich vor, Sie wachen morgens auf und ihr Kind ist verschwunden, einfach so. Was tun Sie? Sie rufen ihren Sohn oder ihre Tochter auf dem Handy an, kontaktieren FreundInnen ihres Kindes. Danach melden Sie sich bei der Polizei, eine Vermisstenanzeige wird aufgenommen. Vielleicht kleben Sie Plakate, starten Aufrufe im Internet, suchen in Sozialen Netzwerken, in denen sich ihr Kind bewegte, nach Hinweisen. Wenn Sie es geschickt anstellen, mobilisieren Sie eine breitere Öffentlichkeit, die Presse berichtet über den Fall, das Foto wird im Fernsehen gezeigt. Die Polizei ermittelt akribisch, eine Sondereinheit verfolgt Spuren, Hundertschaften durchkämmen den nahe gelegenen Wald. Trotzdem machen Sie sich Vorwürfe, vermuten das Schlimmste, verzweifeln, denn nichts ist schlimmer als die Ungewissheit.

Was passiert, wenn ein unbegleiteter, minderjähriger Flüchtling verschwindet? Zunächst einmal nicht viel, zumindest auf Behördenseite: Asyleinrichtungen oder die zuständigen Jugendämter melden das Verschwinden, Daten werden ausgetauscht. Das kommt nicht selten vor: Auf eine kleine Anfrage von der Fraktion der Grünen gab der Deutsche Bundestag am 13.4.2016 an, dass 2015 in Deutschland 8.004 minderjährige Geflüchtete vermisst werden. Der „Bundesverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ meldete Anfang 2016, dass laut Europol in den 18-24 Monaten zuvor europaweit 10.000 minderjährige Geflüchtete verschwunden seien. Genaue Zahlen fehlen…

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Aktivisten von 12thMemoRise präsentieren die Doku „Glaubenskrieger“ in Essen

Schnell wurde Kritik laut, als Mitte Juni einige tausend Menschen in Köln friedlich gegen islamistischen Terror demonstrierten: Wieso so wenig, wo sind sie denn, die MuslimInnen, die sich öffentlich gegen den im Namen ihrer Religion verübten Terrorismus stellen? Lamya Kaddor, Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes, erklärte auf der Demo, man könne sich nur von etwas distanzieren, zu dem man zuvor eine Nähe verspürt habe. Sie wolle sich vielmehr positionieren und ein Zeichen gegen Gewalt setzen.

Den einen, homogenen Islam und „die“ MuslimInnen gibt es zwar nicht, Kritik am radikalen Islam aus dem Innern der muslimischen Glaubensgemeinschaft organisiert sich aber durchaus. Zum Beispiel in Düsseldorf: Dort wohnen die Gründer des Netzwerks „12thMemoRise“. Seit 2015 macht die Gruppe mit drastischen Aktionen in der Öffentlichkeit auf sich aufmerksam. In der Essener Innenstadt stellten sie eine Hinrichtung des sogenannten IS nach und veranstalteten einen fiktiven Sklavenmarkt, wie er unter dem IS in Mossul Realität war. Die Videos zu diesen Aktionen verbreiten sie auf ihrem YouTube-Channel oder dem offiziellen Facebook-Profil, wo sie sich auch langwierigen Diskussionen in den Kommentarspalten stellen.

Ihr Ziel ist es, eine Diskussion innerhalb der muslimischen Community zu provozieren und auf die Gefahren von Strömungen wie dem Salafimus aufmerksam zu machen, in Deutschland personifiziert durch Konvertiten wie Sven Lau oder Pierre Vogel. Bei ihren Aktionen orientieren sie sich an der modernen Filmästhetik, die sich auch der IS zunutze macht, um Jugendliche zu erreichen.

Der deutsch-amerikanische Filmemacher Till Schauder porträtiert „12thMemoRise“ aktuell in seiner Dokumentation mit dem bewusst provokativen Titel „Glaubenskrieger“…

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