Impressionen zu Haynrich, Nadine Blida, Alice Francis, Alidaxo, Lara Snow und Gurr bei Bochum Total 2017.
Weltpremiere von Sönke Wortmanns „Sommerfest“ am 21.6. in Bochum
Bochum, 21. Juni: Am längsten Tag des Jahres drängeln sich bei perfektem Sommerwetter viele Menschen durch das Bochumer Bermudadreieck. Wo andere Premieren die Stargäste auf dem roten Teppich abschirmen, herrscht vor dem Casablanca und dem Union-Kino reges Gewusel. Die Weltpremiere von Sönke Wortmanns neuem Film „Sommerfest“, nach einem Roman des Bochumer Urgesteins Frank Goosen, findet aufgrund des großen Andrangs zeitgleich in den zwei gegenüberliegenden Kinos statt.
Publikum, Filmschaffende und Feierwütige auf dem Weg in die nächste Kneipe sind kaum auseinander zu halten. Goosen selbst schlendert fast unauffällig vorbei und berichtet kurz, dass er sehr zufrieden mit der Verfilmung sei, die den Ton des Buches auf den Punkt treffe. Hauptdarsteller Lucas Gregorowicz, seit seinem Durchbruch mit der Kifferkomödie „Lammbock“ 2001 gut gealtert, kommt mit Anna Bederke, die im Film seine Jugendliebe spielt. Bederke stammt nicht aus dem Pott, habe sich aber beim Dreh in Bochum sofort „eingemeindet gefühlt“ und findet, dass die Betriebstemperatur ihrer Heimat Hamburg durchaus mit der des Ruhrgebiets vergleichbar s
Auch Stefan Arndt (X Filme Creative Pool), Tom Spieß (Little Shark Entertainment), Dr. Barbara Buhl (WDR) und Manuela Stehr (X Verleih) sind gekommen, um die Premiere zu feiern. Allein Regisseur Sönke Wortmann ist sichtlich nervös. Verständlich, denn das Ruhrgebiet ist für seine bisweilen distanzlose Offenheit bekannt. Was dem Publikum nicht schmeckt, wird hier auch nicht gefressen….
Der ganze Beitrag ist zu lesen unter: www.trailer-ruhr.de
Fotostrecke: Highlights der Messe BioWest Düsseldorf (9.4.)
Erschienen auf: utopia.de.
Link zur Veröffentlichung: Die 10 Highlights der BioWest.
Internationales Frauenfilmfestival Dortmund | Köln 2017
Ein Bild ist in den letzten Monaten in den Sozialen Netzwerken stark verbreitet worden: Es zeigt eine ältere Frau, die ein Schild mit der Aufschrift „I can’t believe I still have to protest this fucking shit“ hält. Aufgenommen wurde das Motiv vermutlich im Oktober 2016 bei den erfolgreichen Demonstrationen gegen die Verschärfung des Abtreibungsrechts in Polen.
Den Macherinnen des Internationalen Frauenfilmfestivals (IFFF) dürfte dieser Satz im 30. Jahr des Bestehens auch gelegentlich durch den Kopf gehen. Die Intention des IFFF, feministische Diskurse über Film zu stärken, weibliche Filmschaffende zu vernetzen und zu fördern, ist noch immer notwendig und aktuell. Das zeigt auch der dritte Diversitätsbericht des Bundesverbandes Regie: 2015 hat mit einem deutschlandweiten Frauenanteil von nur 15,7% im Kinobereich eine so schlechte Bilanz wie seit fünf Jahren nicht mehr.
Wie gewohnt geht es beim IFFF aber nicht nur um die Geschlechtergerechtigkeit innerhalb der Filmindustrie. Politische Entwicklungen und gesellschaftskritische Ansätze, die vor allem aber nicht nur Frauen betreffen, spiegeln sich in allen Beiträgen. Vom 4.-9. April sind mehr als 100 Filme unterschiedlicher Genres, Längen und Formate zu sehen. Im Wettbewerb konkurieren acht Filme aus Brasilien, Frankreich, Polen, Belgien und Südafrika miteinander, darunter auch Sally Potters bitterböse Ensemblefarce „The Party“ mit Kristin Scott Thomas, Bruno Ganz und Patricia Clarkson, mit der das IFFF am 4.4. um 18.30 Uhr im Dortmunder Cinestar offiziell eröffnet. Hinzu kommen Specials, Performances und Diskussionen.
Der diesjährige Schwerpunkt „IN CONTROL…of the situation / Alles unter Kontrolle“ setzt sich aus elf kuratierten Programmreihen zusammen. Leitmotiv ist der Widerspruch zwischen analoger und digitaler Überwachung, Vermessung und Archivierung unserer Körper und Daten einerseits und dem Ohnmachtsgefühl angesichts einer aus den Fugen geratenen Welt andererseits. Kontrollwahn trifft Kontrollverlust, aber wer übt über wen Kontrolle aus? Die filmische Reflexion von Flucht und Vertreibung, bezogen auf aktuelle und historische Migrationsbewegungen, im regionalen bis globalen Kontext, zieht sich wie ein zweiter roter Faden durch das Programm.
Ästhetisch wie politisch knüpft der Schwerpunkt an die Ausstellung „Ich bin eine Kämpferin – Frauenbilder der Niki de Saint Phalle“ im Museum Ostwall und somit eine Künstlerin an, die stets Macht über das eigene Bild zu erlangen versuchte. In Kooperation mit dem Museum Ostwall findet am 5.4. ab 10 Uhr ein Symposium im Kino im U statt, ab 17.30 Uhr startet dort das dazugehörige Film- und Kurzfilmprogramm.
Die vielfältigen, feministischen Strömungen unsere Zeit präsentieren sich in Dortmund aber auch humorvoll und bieten ermutigende Momente der Selbstermächtigung. Die lange Kurzfilmnacht (Fr. 7.4. ab 20.30 Uhr im sweetSixteen) zeigt Musikvideos und (experimentelle) Kurzfilme, die Schwerpunkt-Reihe „In this together“ stärkt mit der filmischen Begegnung von AktivistInnen aus drei Kulturkreisen den Glauben an die Unerschöpflichkeit kreativer Protestmethoden und gegen das Ungeborene, das in dem Splatter-Juwel „Prevenge“ Mordbefehle aus der Fruchtblase gibt, sieht Rosemaries Baby wie ein harmloser Hosenscheißer aus.
Das vollständige Programm ist Online auf der Homepage des IFFF verfügbar:
www.frauenfilmfestival.eu/programm
Internationales Frauenfilmfestival Dortmund | Köln | 4.-9.4. | div. Kinos in Dortmund | Festivalzentrum: Dortmunder U | www.frauenfilmfestival.eu
Zuerst erscheinen auf: www.trailer-ruhr.de
Interview mit Blogger Patrick Hundt (101places, Healthy Habits) zum Thema Weltflucht (2017)
Maxi Braun: Was verbindest Du mit dem Begriff Eskapismus?
Patrick Hundt: Ehrlich gesagt musste ich den Begriff erst mal googlen. Dem Namen nach steckt ja das Wort Flucht darin und das klingt für mich negativ, weil es bedeutet, weg von etwas Schlechtem zu kommen.
Du bist 2012 für neun Monate auf Weltreise gegangen, war das auch eine Art von Flucht?
Ich hatte vorher eine Agentur für Online-Marketing gegründet, die Geschäftsführung habe ich mir 50:50 mit einer Freundin geteilt, ungefähr vier Jahre lang. Aber mit der Zeit gingen wir uns nur noch auf den Geist. Da war klar, dass das auf Dauer nicht so weitergehen konnte. Ich war damals flexibler als sie und daher derjenige, der gegangen ist. Ich wollte schon immer eine Weltreise machen, der Zeitpunkt passte und ich wollte auch eine neue Aufgabe finden. Die Reise selbst war keine Flucht, der Weggang aus dem Unternehmen schon.
Ist daraus dann der Reiseblog 101places entstanden?
Genau. Anfangs war das ein Blog für Friends & Family und mir war egal, wie groß das Projekt wird. Aber ich war alleine unterwegs und hatte viel Zeit. Irgendwann hatte ich auch keine Lust mehr, mich regelmäßig hinzusetzen und etwas zu schreiben, was nur fünf Leute lesen. Aufgrund meiner Vorkenntnisse war es dann leicht, weil ich eine Ahnung hatte, wie man eine Website groß macht. Als die Weltreise zu Ende ging war absehbar, dass der Blog Erfolg haben und zu meinem neuen Projekt werden würde.
Du bist in Afrika, Südostasien, Amerika, Australien und Neuseeland gewesen. Hast Du Dich immer gut vorbereitet oder bist Du ins Blaue aufgebrochen?
Die Route der Weltreise stand relativ fest, sollte aber eigentlich nur ein halbes Jahr dauern…
Das ganze Interview ist auf trailer-ruhr.de zu lesen.
Das Recht zu schreiben – Good Girls Revolt
Schreibmaschinen-Stakkato, auf Papier kritzelnde Bleistifte, klingelnde Telefone, klackernde Wählscheiben und Telexmaschinen: Schon die ersten Einstellungen von „Good Girls Revolt“ kreieren ein Gefühl wohliger Nostalgie aus einer Zeit, als Journalismus noch ein Handwerk und Recherche mehr als eine Wikipedia-Stippvisite war.
Die Sequenz zeigt die Redaktion der New Yorker Zeitschrift „News of the Week“ 1969. Draußen auf der Straße wird für den Frieden und gegen den Vietnamkrieg protestiert, Malcolm X und Martin Luther King sind bereits ermordet worden, die Schwarze Bürgerrechtsbewegung wehrt sich gegen die seit dem Civil Rights Act 1964 gesetzlich illegale Diskriminierung…
Zum vollständigen Text auf www.missy-magazine.de
Star Wars zum 40. Geburtstag
STAR WARS (1977):
Der Film, der Mythos, das Mysterium in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Es war einmal vor nach kosmischen Maßstäben gar nicht allzu langer Zeit, in dieser Galaxis, um genau zu sein in San Anselmo auf dem Planeten Erde, als der junge George Lucas einigen Auserwählten eine erste Rohfassung von STAR WARS zeigte. Mangels fertiger Special Effects hatte Lucas ersatzweise Schwarz-Weiß-Material von Luftkämpfen aus dem Zweiten Weltkrieg statt Actionszenen dazwischenmontiert.
Fast alle Anwesenden fanden den Rohschnitt miserabel. Nur Steven Spielberg soll, glaubt man der Legende, nach längerem Schweigen gesagt haben «I like it, George». Zu Recht, wie uns die Geschichte der letzten 40 Jahre gelehrt hat. Kaum drei Monate nach dem offiziellen Kinostart von STAR WARS am 25. Mai 1977 hatte die Weltraumoper bereits über 100 Millionen Dollar eingespielt, bis Ende des Jahres waren es mehr als 195 Millionen Dollar an der Kasse. Die ZuschauerInnen standen Schlange, manchmal mehrere Blocks weit, der moderne Blockbuster war geboren. Ein Jahr nach dem ersten Kinorelease tobten Lucas Sternenkriege noch immer über die Leinwände. Die Vollendung der ersten Trilogie war da schon beschlossene Sache.
Alles begann aber schon in den frühen 1970er Jahren. Die Autorenfilmer des New Hollywood, darunter z.B. Peter Bogdanovich, Francis Ford Coppola, Robert Altman oder eben Spielberg, wagten mutige Experimente mit Genrefilmen. Als Lucas 1972 das erste Treatment zu STAR WARS verfasste, hatte er mit THX 1138 schon einen ästhetisch durchkomponierten, kühl-dystopischen Science Fiction-Film gedreht. Inspiriert von Serien wie FLASH GORDON oder BUCK ROGERS, sollte dieses Projekt ein märchenhafter Trip in fantastische Welten werden, bei der das Gute gegen das Böse kämpft.
Der erste Satz des wenig mehr als zehn Seiten umfassenden Entwurfs begann mit den Worten: «This is the story of Mace Windu, a revered Jedi Bendu of Ophuchi who was related to Usby C.J. Thape, Padawaan learner of the famed Jedi».
Was wie der Beginn des Alten Testatments oder Tolkiens „Silmarillion“ klingt, war den Entscheidern von Universal und United Artists wohl zu kryptisch. Erst 20th Century Fox bewilligte Lucas 1974 eine Finanzspritze zur Entwicklung eines Drehbuchs. Der Erfolg von „American Graffiti“ (1973) dürfte dabei entscheidender gewesen sein als das noch sehr vage und stark von der Endfassung des Drehbuchs abweichende Treatment. Bis zur finalen, vierten Drehbuchfassung wurde aus Luke Starkiller Skywalker und Lucas schuf sich mit der Gründung seiner eigenen Special Effects-Schmiede ILM (Industrial Light & Magic) 1975 auch die technischen Rahmenbedingungen für sein Projekt. Der Dreh startete im März 1976 in Tunesien. Auch wenn bei den Fortsetzungen THE EMPIRE STRIKES BACK – EPISODE V (1980) Irvin Kershner bzw. bei RETURN OF THE JEDI – EPISODE VI (1983) Richard Marquand Regie führte, stand STAR WARS von Anfang an unter der Kontrolle von George Lucas.
Anfang 1997 kam die Originaltrilogie erneut in die Kinos und spielte nochmal knapp 140 Millionen Dollar ein. Ein guter Lackmustest für das ungebrochene Interesse an der Saga, denn Lucas bereitete da längst den Dreh zu Episode I – THE PHANTOM MENACE (1999) vor. Die Episoden I-III sollten als Prequel die Vorgeschichte der Originaltrilogie erzählen. Die Idee einer insgesamt neunteiligen Serie kam Lucas recht früh, wurde aber erst nach dem Erfolg von STAR WARS 1977 realisitisch. Der zweite gedrehte Film, THE EMPIRE STRIKES BACK von 1980, erhielt daher den Zusatz EPISODE V.
Anders als in Episode IV-VI führte Lucas bei Episode I-III selbst Regie und setzte mit Natalie Portman als Padmé Amidala, Ewan McGregor als junger Obi-Wan Kenobi oder Liam Neeson als Qui-Gon Jinn auf bekannte Gesichter. Hinzu kamen zahlreiche Nebenfiguren (darunter der bei den Fans vernichtend durchgefallene Gungan Jar Jar Binks), exotische Settings und bombastische Effektschlachten. Viele Hardcore-Fans empfanden die Prequel-Trilogie als Sakrileg, die Kritik war eher verhalten. Ins Kino lockte die Geschichte vom Niedergang der Jedi, der Republik und die Metamorphose Anakin Skywalkers zum archetypischen Bösewicht Darth Vader erneut Millionen.
Was macht die «Erzählmaschine» STAR WARS, wie Filmkritiker und Autor Georg Seeßlen die Saga einmal bezeichnete, so erfolgreich? Das politische Klima der extradiegetischen Welt war in den 1970ern denkbar ungünstig. 1974 musste Präsident Nixon im Zuge der Watergate-Affäre abdanken. Das Vertrauen des Volkes in die eigene Regierung verbesserte das nicht. 1975 endete der Vietnamkrieg nach 20 Jahren als Trauma einer ganzen Generation, die Bedrohung des Kalten Kriegs bestand dennoch fort. Keine idealen Voraussetzungen für einen Krieg im Kino, möge er auch in einer weit, weit entfernten Galaxis spielen. Und warum in Phantasiewelten flüchten, wo es doch in der eigenen Geschichte soviel aufzuarbeiten gab?
Auch innerhalb der Diegese sind die Erfolgszutaten nicht offensichtlich. Die Story von STAR WARS ist – hat man sich an Namen wie Leia Organa und Han Solo oder Orte wie Mos Eisley und Tatooine gewöhnt – im Kern weder besonders kompliziert, noch raffiniert. Es geht um eine Rebellion gegen ein totalitäres Regime und den Kampf Gut gegen Böse. Auch pointierte Dialoge sind Mangelware. Harrison Ford soll beim Dreh zu STAR WARS entnervt gemault haben «George, Diese Scheiße kann man vielleicht in eine Maschine tippen, aber sprechen kann man sie auf gar keinen Fall». Schauspielerische Glanzleistungen erklären den unfassbaren Erfolg ebenso wenig wie die oft gescholltene Schneckenfrisur Leias. Filmsprachlich ist STAR WARS außerdem nicht besonders experimentell, allenfalls die von John Williams komponierte Musik mit der charakteristischen Fanfare zu Beginn jedes Films und die Spezialeffekte, die bei beiden Trilogien auf der Höhe der Zeit waren, sind auf der Produktionsebene bemerkenswert.
Die Faszination von STAR WARS liegt darin, dass die Saga eine Projektionsfläche für mannigfaltige Lesarten bietet und daher niemanden unberührt lässt. Die elementare Formel «Gut gegen Böse» wird angereichert mit allerlei Versatzstücken aus verschiedensten Kulturen, Märchen, Religionen, Mythologien. Lucas soll sich bei der Entwicklung an Joseph Campbells The Hero with a Thousand Faces von 1949 orientiert haben. Dessen Grundaussage besteht laut Georg Seeßlen darin, dass sich die seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte tradierten Mythen auf 32 plots herunterbrechen lassen.
Auch das gesamte Star Wars-Universum ist ein Füllhorn des Synkretismus. Die unbefleckte Empfängnis von Anakin in EPISODE I ist nicht erst im Christentum erfunden worden und auch seine Auferstehung als Darth Vader – wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen – ist ein Erzählelement vieler Religionen und heidnischer Rituale. Lucas bedient sich überall, bei der Populärkultur seiner Jugend, bei Akira Kurosawa sowieso. Hinzu kommen Versatzstücke von der griechischen Antike über das Mittelalter bis zur Gegenwart (Imperium, Republik, Monarchie, Steuerstreik und Handelsembargos), angereichert mit Märchenstoff (Es war einmal…), psychoanalytischen Konstellationen, exotischen Orten, fremden Kreaturen, humanoiden Robotern, allesamt transportiert in die phantastisch-futuristische Welt einer weit, weit entfernten Galaxis.
Der ökonomische Erfolg hingegen ist weniger symbolisch aufgeladen, sondern Produkt der Weitsicht George Lucas‘. Drehbuch, Regie und Schnitt lagen von Anfang in seiner Hand, durch die Gründung von ILM hatte er auch die Kontrolle über die Spezialeffekte und spätestens nach dem Erfolg von EPISODE IV war er finanziell völlig autonom von Studios oder anderen externen Geldgebern. Als noch keiner an STAR WARS glaubte, verzichtete er außerdem auf seine Gage und bestand dafür auf die Rechte an den Fortsetzungen und dem Merchandising.
Der Mythos ist auch nach der Abnabelung von seinem Schöpfer quicklebendig. Lucas verwarf schon in den 1990ern die Idee von insgesamt neun Teilen und verkaufte 2012 seine Produktionsfirma Lucasfilms und die Rechte am Star Wars-Imperium an die Walt Disney Company, die im Dezember 2016 den ersten Teil einer Sequel-Trilogie in die Kinos brachte. Aller Vorbehalte dem konservativen Disney-Konzern zum Trotz, rückte THE FORCE AWAKENS von den hochglanzpolierten Bildern der Episoden I-III ab. Der Weltraum darf wieder dreckig sein. Wenn auch die meisten Figuren schablonenartig bleiben, ist mit Rey wieder eine starke Frauenfigur installiert, die in der amazonischen Tradition von Leia und nicht in der passiven Amidalas steht.
Die Saga geht nicht nur bis mindestens 2019 im Kino weiter. Außerdem existieren unzählbare Adaptionen und eigenständige Handlungsstränge in Comics, Romanen, Animationsserien, Videospielen. Das bedrohliche Laserschwert-Summen, unzählige Variationen des Zitats «Ich bin Dein Vater!» und Yodas eigenwilliger Satzbau haben sich weltweit in das kollektive Bewusstsein der Menschen gebrannt. Die Selbstverständlichkeit, mit der Formate wie The Big Bang Theory STAR WARS wiederum in die eigene Diegese einpflegen, schreiben den Mythos weiter fort. Die Mythologie der Star Wars-Saga ist längst selbst zum Mythos geworden, der unsterblich scheint.
Der vollständige Text ist erschienen in: Busch, Werner / Bothmann, Nils (Hrsg.): Schüren Filmkalender 2017, Schüren Verlag 2016. Zur Bestellung: www.schueren-verlag.de
Marx und Minirock – Mina Ahadi in Bochum
Ein Kuschelkurs in Sachen Islam wird das hier nicht. Auf die Frage, ob ich fotografieren könne, erwidert Uwe Vorberg vom Bahnhof Langendreer, er müsse erst die beiden Personenschützer von Mina Ahadi informieren, damit es keine Probleme gibt. Als er in den Abend zum Thema „Frauenrechte und Islam“ einführt, bemerkt er angesichts des vollen Studios 108 trocken „Es scheint ein brennendes Thema zu sein“.
Um die 150 Menschen sind der Einladung des Bahnhof Langendreer und der Initiative Religionsfrei im Revier gefolgt, um die Exil-Iranerin und Menschenrechtsaktivistin sprechen zu hören. Sie sitzen auf dem Boden oder stehen hinter der letzten Stuhlreihe, bis zur Tür. Mina Ahadi ist Vorsitzende des 2007 gegründeten Zentralrats der Ex-Muslime, Begründerin eines Internationalen Komitees gegen Steinigung und eines gegen die Todesstrafe.
Ihre Biografie verleiht dem Gesagten besonderen Nachdruck. Sie erzählt, wie sie in einem iranischen Dorf aufwuchs und schon als Kind auf der Straße einen Tschador tragen musste, mit niemandem sprechen durfte, wenn sie von A nach B ging. Anders war es in der Großstadt Teheran, wo sie ihren atheistischen Großvater besuchte. Das Leben dort war voller Farben, Eis und Kinobesuche. In ihrem Dorf war es schwarz hinter dem Tschador, für Ahadi ein „mobiles Gefängnis“. Das war in den 1960er Jahren, noch unter Schah Mohammad Reza Pahlavi.
Ihr Körper wird mit der Pubertät zunehmend zu einem Problem. Das Einsetzen der Periode sei „ein schwarzer Tag für die Familie“ gewesen. Sie beginnt, die Religion und ihren Platz darin zu hinterfragen. Will einen Freund haben, den Tschador ablegen. Die Antwort auf alles lautet immer nur „Allah“. Sie hört auf zu beten, entwöhnt sich von den religiösen Riten. „Dafür wurde ich nicht gesteinigt. Im Dorf galt das als typische Phase von jungen Leuten“.
Später geht Ahadi zum Medizinstudium nach Täbris. Dort kann sie sich unbedeckt bewegen. Verboten bleibt die Lektüre von Marx und anderen kommunistischen Autoren. „Ich wollte aber Minirock tragen und Marx lesen“, stellt Ahadi energisch fest. Sie beteiligt sich als Teil der linken Bewegung an Demonstrationen gegen den Schah und muss ihr Studium abbrechen. Als Oppositionelle kämpft sie nach der sogenannten Islamischen Revolution 1979 gegen den religiösen Fundamentalismus Khomeinis.
Persönliches Schicksal
Wie oft mag Ahadi den nun folgenden Teil ihrer Geschichte erzählt haben? Ihre Stimme bricht kurz, um dann noch lauter, durchdringender zu werden. 1980 wird ihr Mann, während sie nicht zuhause ist, verhaftet, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Ahadi ist da 24 Jahre alt, lebt noch eine Weile unter ständiger Angst in Teheran, flieht in den Westen des Landes, wo sie zehn Jahre lang als Partisanin kämpft.
Die Preisgabe ihres bewegenden Schicksals steht in Kontrast zu der harten Linie, die sie gegenüber Religionen insgesamt und dem Islam vertritt. Ihre Thesen sind so klar wie unversöhnlich: Frauenrechte sind mit Religionen unvereinbar. Die Scharia ist unmenschlich und ein Instrument für Zwangsheirat, Geschlechter-Apartheit und Ehrenmord. Der Zwang zu Hijab, Niqab, Tschador und Burka ist eine Menschenrechtsverletzung, ein Symbol für den politischen Islam und gehört in westlichen Ländern verboten. „Ich klage alle Religionen an die sagen, der Körper sei etwas Schmutziges“. Sie hofft dabei nicht auf die Unterstützung durch die Politik: „Parlamente und Regierungen sind kalt, aber jeder einzelne Mensch hat ein Herz“.
Das Publikum hat Ahadi auf ihrer Seite. Menschen, die aufgrund ihres Äußeren irgendeiner Religion zuzuordnen wären, sind nicht gekommen. In der anschließenden Diskussion gibt es dennoch Gegenstimmen. Eine Frau, die angibt, christlich sozialisiert und nun Atheistin zu sein, widerspricht Ahadis Forderung nach einem Kopftuch- und Moscheeneubau-Verbot. Sie argumentiert mit der Religionsfreiheit: wenn es Kirchen gibt, warum nicht auch Moscheen?
Ahadi widerspricht, es gäbe erstens genug Moscheen, ihr ginge es aber besonders um Prunkbauten wie die Ehrenfelder Moschee in Köln, die „größer als der Dom“ werden sollte und somit auch einen Machtanspruch des politischen Islam ausdrücke.
Auf die Burka-/Burkini-Verbots-Debatte will sie sich nicht einlassen, das sei ein anderes Thema. Für sie gibt es nur einen geringen Prozentsatz an Frauen, die sich freiwillig verhüllen. Bei der Mehrheit sei es ein Zwang, auch unbewusst durch die religiöse Indoktrinierung vermittelt. „Eine Burka in Europa zu tragen, soll das ein Menschenrecht sein?“.
So manche gläubige Muslima würde Ahadi da widersprechen, sich nicht als indoktriniert bezeichnen. Doch was würde ein Dialog bringen, wenn das religiöse Korsett von den Betroffenen nicht als solches empfunden wird? Ahadi fordert Frauen aktiv auf, den Schleier abzunehmen. Aber ist ihr unglaublicher und teuer bezahlter Mut ein Weg, den jede Frau gehen will und kann?
Harte Thesen ohne Hass
Von der AfD distanziert sich Ahadi scharf. Eine Einladung von Frauke Petry lehnte sie mit der Begründung ab, deren Partei vertrete wie ultrakonservative Islamverbände eine autoritäre, homophobe, sexistische, kurz: menschenfeindliche Position.
Der Konflikt zwischen ihrer Position und der von vielen linkspolitisch orientierten Menschen wird hier trotzdem deutlich. Sie hält den Umgang von Linken, Grünen und Intellektuellen mit dem Islam für zu sanft. Sie verharmlosten aus falsch verstandener Toleranz die Gefahren für eine freie Gesellschaft und sollten auch auf internationalem Parkett keine Zugeständnisse gegenüber Regimen wie dem iranischen machen. Aber welche Erfolge hat der Abbruch diplomatischer Beziehungen je erzielt?
Einige von Ahadis Thesen scheinen nur in der Theorie zu funktionieren. Würde unsere Gesellschaft wirklich freier, wenn wir den Kopftuchzwang in einen Enthüllungszwang umkehrten? Ein Strand in Nizza erscheint vor dem inneren Auge. Mich beschleicht das Gefühl, ob die Fragen, die ich mir stelle, nun besonders tolerant und weltoffen, oder jene „linken Reflexe“ sind, die Ahadi kritisiert.
Ein junger Mann möchte mit Ahadi dann noch über die Auslegung des Korans und der Scharia diskutieren. „Wenn man keine Todesstrafe fürchten muss, keine Morddrohungen erhält, dann kann man über die Interpretation diskutieren“, entgegnet Ahadi. Ein älterer Mann, der sich mir später als Kourosh vorstellt und als Kernphysiker in der Anti-Atom-Bewegung aktiv war, findet noch treffendere Worte: „Ob der Koran nun gut ist oder schlecht, wie man ihn auslegt, das ist nicht mein Bier! Menschenrechte sind mein Bier, der Koran interessiert mich nicht und ich sollte auch nicht dazu gezwungen sein!“.
Von Mina Ahadi bleibt der Eindruck einer Frau mit glasklaren Überzeugungen und manchmal zu einfachen Antworten. Ihre Appelle sind trotzdem nicht destruktiv, ihre Forderungen kommen ohne Hass aus. Trotz allem, was ihr widerfahren ist, hat sie sich einen unerschütterlichen Glauben an das Gute im Menschen bewahrt und scheint, ihre Mission gefunden zu haben. An diesem Abend wirft sie viele Fragen auf, auf die es keine leichten Antworten gibt. Allein die Möglichkeit einer so kontroversen Veranstaltung ist unserer freien, weitestgehend säkularen Gesellschaftsform geschuldet. Wenn Ahadi sagt, das sei ein Prinzip, das wir alle zusammen verteidigen müssen, will man ihr nicht widersprechen.
Zuerst erschienen auf: www.trailer-ruhr.de
Rezension zu „Ohne Haar und ohne Namen. Im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück“ (Sarah Helm)
Als Synonym für die Vernichtung der europäischen Juden ist Auschwitz längst Teil unseres kollektiven Gedächtnisses. Das einzige Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück in Brandenburg blieb von der Holocaust-Forschung lange Zeit unbeachtet und ist auch heute weniger bekannt. Von 1939-1945 wurden hier je nach Zählung ca. 40.-50.000 Frauen getötet – durch Hunger, Kälte, Seuchen, Zwangsarbeit, drakonische Strafen, medizinische Experimente, Erschießungen, Gift und ab 1942 auch durch Gas. Leser*innen der „Lagerbiografie“ der britischen Journalistin Sarah Helm wird Ravensbrück als Chiffre für die systematische Vernichtung von Frauen während des Zweiten Weltkriegs durch die Nationalsozialisten im Gedächtnis bleiben.
Basierend auf subjektiven Erinnerungsfragmenten von Überlebenden aus ganz Europa, die Helm zu Anfang ihrer Recherche ausfindig machte und interviewte, wie auch anhand erhaltender Quellen schildert sie den Alltag im Lager, der steig unmenschlicher und unberechenbarer wird…
Zum vollständigen Text auf www.missy-magazine.de
Rezension zu „Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung“ (Ulrike Herrmann)
Als vor Kurzem der Westdeutsche Rundfunk zum Funkhausgespräch unter dem Thema „Brauchen wir eine andere Demokratie?“ nach Köln lud, sagte Podiumsgast und CDU-Politiker Stephan Eisel voller Überzeugung: „Wir leben nun gerade in einem System, wo eben die Wirtschaft nicht alles machen kann, was sie will, sondern es gibt Grenzen dazu.“ Das Publikum reagierte mit Gelächter. Diese Anekdote steht exemplarisch für ein Gefühl, das bei vielen Menschen vorherrscht: Ob Finanzkrise, Panama Papers oder Euro-Rettungsschirm – die Wirtschaft ist ebenso allgegenwärtig wie komplex und arbeitet, so scheint es, nicht zugunsten unserer Gesellschaft, sondern einiger weniger Privilegierter.
Kurzum: Alle sind wütend auf die Finanzelite – aber keiner weiß genau warum, geschweige denn, ob und wie man dieses System ändern kann. Ulrike Herrmann, ausgebildete Bankkauffrau und Wirtschaftskorrespondentin der „taz“, schreibt dagegen an.
Zum vollständigen Text auf www.missy-magazine.de